Bilder ;
Gleichnisse
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sein Stuhl, die Erde seiner Füsse Schemel" u. s. w. Diese Umsetzungen
des unsiunlichen Begriffs, der unsinnlicheu Lehre geschehen in ver-
schiedentlicher Weise. -Z. B. für eine Lehre wird ein einzelner sinn-
licher Fall erzählt: Wer Pech anfasst, besudelt sich. Es ist das Gebiet
des Spriehworts, der Gnomen u. s. w. Oder ein Gedanke wird veran-
schaulicht durch eine Allegorie, eine Lehre durch eine Fabel oder ein
Gleichniss oder durch das zur Parabel gesteigerte, aus dem menschlichen
Thun hergenommene Gleichniss.
In all' den Fallen der Belebung, Vergleichung, der Bilde1', Meta-
phern u. s. w. "wird natürlich ein Uebermaass, wie jedes Uebermaass
Störend, ungehörig, verweiflieh. Verdeutlichung, Lebendigmachen war
der Zweck, die Idee; sobald dies nicht geschieht oder gar das Gegen-
theil eintritt, ist der Idee widersprochen. Undeutliche Bilder sind an
sich ausgeschlossen, aber auch gute Bilder dürfen nicht die Hauptsache
überwuchern. Die orientalische Poesie, auch die nordische fehlen hie-
gegen hautig;_ in der nordischen muss man überdies zuweilen eine förm-
liche Untersuchung und Uebersetzuug anstellen, um das Bild aufzulösen
und zu wissen, „wenn der Lebensräuber nach der Krieger Brust fahrt",
"wenn auf des Meeres Rossen durch das Reich der Möven kein kühnerer
hlann fährt um Lanzeninesse zu halten", dass der Lebensränber die
Lanze sein soll, dass die Lanzeumesse die Schlacht ist u. s. w. Maass
halten gilt auch für die Bilder. Eine sehr lebendige Phantasie wird
versucht sein, dass Maass zu überschreiten und in glänzenden Bildern
zu schwelgen; so häufig ein Aeschylus, ein Shakespeare, bei denen
dann ein Bild das andere drängt. Aber ein grosser Dichter, wenn er
der Phantasie die Zügel sehiessen lasst, trifft doch immer richtig und
gewaltig; mächtigen Zuges reisst er uns meistens weiter. (Doch lese man
Z. B. Troilus und Oressida, III, 3, Ulysses Rede: die Zeit hat einen
Ranzen auf dem Rücken, Almosen sammelnd u. s. w. wo das Allegori-
siren und die Häufung die Rede bis zum Frostigen einwickelt; Hamlets
Citat: "der rauhe Pyrrhus, dessen dunkle Rüstung schwarz wie sein
Vorsatz war", ist barock. Ueberhaupt streift der grosse Shakespeare,
darin Kind seiner Zeit, manchmal an's Barocke in seinen Gleichnissen;
Aeschylos giebt wohl Ueberfülle und ist zuweilen orientalisch gewalt-
Sam; Pindar ist nicht selten überschwänglich, Dante wohl herbe, seltsam;
Sophokles, Göthe sind maassvoll). Nichts Langweiligeres dagegen, als
wenn dichterische Schwache versucht, in Häufung von mühsam erdachten
Bildern Reichthnm der Phantasie zu zeigen.
Das falsche Bilderwesen derPoesie möge man etwa an den Dichtern
der zweiten schlesischen Schule studiren. Nicht genug dass hier eine
Znsammenwürfelung von Bildern Mode war, so kommt, wie so leicht bei
einem übermassigen Gebrauch derselben hinzu, dass darin eben die
Poesie gesucht wird und nun das ganze Gedicht sich wohl um diese
Bilder auf einem Flecke her-umdreht. Alles, die tausend Schnörkel, er-
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