Volltext: Populäre Aesthetik

Veranschaulichung. 
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nöthig, anderseits das richtige Wort und die belebende Kraft desselben, 
die aber nur gefunden werden, wenn in dem Erreger, dem Schaffel- 
(Poeten) selbst, die Vorstellung, welche er erregen will, klar und kräftig 
waltet. Ist beides der Fall, so vermag er unter den ilüthigen günstigen 
Umständen den Hörer zur Mitleidenschaft zu bewegen. Seine Vorstel- 
lungen strömen electrisch über und rufen im Hörer die gleichen hervor. 
Es muss etwas Bedeutendes, Interesse Erweckendes sein, was eine 
kritftige, lebhafte Vorstellung bewirkt. Alles Störende, Ungehörige, Zer- 
streuende, die Phantasie Ermattende ist zu vermeiden oder ein getrübter 
Eindruck ist die Folge. Natürlich muss die Sprache stets dem Ge- 
danken auf's innigste entsprechen, muss charakteristisch sein. Gilt es 
den Hörer anzuregen, damit er folgt, so darf er doch nicht betäubt 
werden, indem dann sogleich seine reine Vorstellung sich trübt. Eben- 
sowenig darf er auf Schwierigkeiten stossen, die er nur mit Hülfe des 
Nachdenkens überwinden kann und zu denen er verschiedene Denk- 
Operationen durchzumachen hat. Jede Abstraction, durch welche die 
Phantasie ausser Thätigkeit kommt, ist an und für sich schon zu ver- 
meiden oder doch nur im Nothfall zu gebrauchen. Das Fesselnde der 
gegebenen Vorstellungen darf die eigene Thätigkeit der Phantasie im 
Hörer nicht aufkommen lassen; damit dieselbe nicht abschwärme, muss 
sie in jedem Augenblicke ergriffen werden. Am wenigsten darf man 
den Hörer zu einer Widersetzung seines Wesens gegen das ihm Vor- 
getragene reizen. Dieses geschieht z. B., sobald er einen Widersinil 
darin entdeckt oder sobald sein moralisches Wesen sich gegen die Vor- 
stellungen sträubt oder feindlich gegen dieselben aufgeregt wird. Die 
künstlerische Wahrheit darf also, um dies heraus zu wählen, niemals 
verletzt werden. Die allgemeinen ästhetischen Ordnungen, denen wir 
überall begegnet sind, treten natürlicher Weise auch hier in volle Kraft. 
Ordnung, Uebersichtlichkeit, Harmonie des Wesens und der Erschei- 
nung u. s. w. sind zu beobachten. Im Einzelnen, wie im Ganzen ist die 
vollste Schönheit anzustreben. 
Je lebendiger dabei die Vorstellungen erscheinen, je wahrer, die- 
selben Vorstellungen erweckend, je mehr Alles in Fluss gesetzt ist und 
ineinanderströmt, je einfacher es auseinander sich entwickelt, desto 
besser. 
Gesetzt, es ist ein Hörer durch die Vorstellungen des Poeten in 
Mitlcidenschaft versetzt und dieser kommt nun an Vorstellungen, welche 
wohl ihm, aber nicht jenem geläufig, oder in ihm, aber nicht in jenem 
kräftig sind, oder auch, er kann weniger sinnliche, der Phantasie nicht 
leicht zugängliche oder vielleicht ganz aus ihrem Bereich liegende Ge- 
danken nicht umgehen, so wird er sich dadurch zu helfen suchen, dass 
er eine dem Hörer vertrautere ähnliche Vorstellung als Bild oderGleieh- 
niss herbeizieht, oder er wird statt der unsiunlicheren, wenn es geht, 
eine ähnliche ginnlichere wählen. Vor allen Dingen wird er aber in
	        
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