Volltext: Populäre Aesthetik

Instrumentalmusik. 
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Seele dieses in die Schlachtenfreude und den Sieg hineinklingende Ge- 
fühl. Das zürnt, kämpft, jauchzt und klagt auch schon in Tönen. 
Triumph. Dann aber Tod des Achilles. Wunderbare 'I'rauermusik lösst 
den Sturm der Töne ab; aus den Wogen taucht Thetis mit den Töch- 
tern des Meers; der Todtengesang schwillt um den geliebten Sohn. Der 
Trauerchor der (iriechen tritt hinzu; himmclan schallt die Klage, zu- 
gleich mit dem Heldenlobe; ewig, unsterblich wird sein Name sein; zu 
den Göttern wird er emporsteigen. Dies wäre etwa der Inhalt des 
Allegrds und Adagids. Will der Componist nun vielleicht die Fest- 
lichkeiten und Leichenkampfe am Grabe des Achilles Wahlen? Oder 
will er sich vorstellen, die Seele des Jünglinge werde von den Nereiden 
in die Wohnung der 'l'hetis getragen; die Trauer ist den Ueberirdischen 
vergangen; wohl noch feierlich schallt es hindurch, aber Lust und 
Freude herrschen vor; muss doch die Seele des Getödteten nicht hinab 
zu den traurigen Schatten, sondern zu den Scligsten der Heroen soll sie 
wandeln oder sie soll eingehen in den Olymp. Jauchzen Elysiums oder 
des Olymps bescliliesst das Ganze. Sieg, Tod und Verherrlichung des 
Erhabenen ist (ladurch gegeben. Die Einheit des Ganzen herrscht in 
reicher Mannigfaltigkeit durch alle Stimmungen des Grolls, Muthes, 
Vertrauens,iSieges, des Todes, der Verzweiflung, der Lust, der Verherr- 
lichung. Kriegerische Marschmusik, gesangähnliche, rhythmische, tan- 
zelnde Lust u. s. w. wechselt hier mit einander ab. Helden, Götter, 
Göttinnen, Krieger, Weiber können gedacht sein; alle finden ihre Stim- 
men, aber Alles bleibt, wie sehr auch z. B. das Flehen der göttlichen 
Mutter, der Trotz des Sohnes, der Gesang der Meertöchter nach der 
Bestimmtheit des Gesanges ringen mag, doch innerhalb des reinen Ton- 
gebietcs. Der Componist spricht in dieser Weise in Tönen. Wenn er 
es uns aber nicht sagt, was ihn angeregt hat, so werden wir nie-mit 
Bestimmtheit aus der Musik auf die Anregung schliessen können, son- 
dern nur im Allgemeinen auf Vermuthungexl angewiesen sein; wir hören 
nicht Achill, nicht Thetis, nicht die Griechenschlacht u. s. w., sondern 
nur erhabene, milde, tlehende, kriegerische Musik n. s. w. Vom musikali- 
schen Ausdruck genau alle Gedanken einer Dichtung ohne deren Kennt- 
niss errathen, ist natürlich unmöglich, so unmöglich als man beim Lesen 
einer Dichtung genau wissen kann, wie ein Tonkünstler sie componiren 
würde. Dies in Bezug auf solche Rückübersetzungen von Musik in 
Dichtung. 
Wie schon früher bemerkt worden, imponiren diejenigen Werke 
durch Kraft, Kühnheit, Stoffbelierrschung oft am meisten, in (lenen 
der Künstler bis an die letzten Grenzen seiner Kunst vorgedrungen ist, 
ja, wo er über dieselben hinaus in ein anderes Gebiet hineingcstrcbt hat. 
Wir sahen ein Aehnliches in der zur Malerei strebenden Plastik, in der 
musikalisch wirken wollenden Malerei. In der Musik finden wir die 
Bemühungen, in die Sprache überzugreifen. Wo ein Meister dergleichen
	        
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