Instrumentalmusik.
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teristischen unbestimmten Weise ausdrücken. Es geht hier wie mit der
Architectur. Auch der Architect setzt in der Phantasie alle seine An-
sichten, Gefühle u. s. w. architectonisch um. Seine Ansicht z. B. von
der Grösse des Berufs eines Königs, von dessen Macht, Reichthum u. s. w.
werden ihm zu Grösse, Höhe, Reiehthum der Formen, den edelsten Ver-
hältnissen, rcichstem architectonisehen Schmuck. Er schafft nichts
kleinlich, selbst Raume, bei denen eine geringe Dimension genügen
würde, bildet er über die Grösse des Bedürfnisses hinaus; nirgends darf
Gedrücktheit, Beschränkung, Knausern u. dergl. sich bei dem Bau ver-
rathen. Specieller sprechen kann der Architect nicht, der sich auf das
Rein -Architectonische beschränkt und nicht bestimmtere Symbole,
Plastik und Malerei zu Hülfe nimmt. S0 setzt der Tonkünstler seine be-
stimmten Gedanlzen in Töne um; deren Verhältnisse von Höhe, Tiefe,
deren Art der Folge und Klangfarbe sind für ihn Ausdruck und Mate-
rial. Es ist nicht nöthig, dass er bestimmte Gedanken zum Ausgangs-
punkt nimmt; ja gewöhnlich mag sich der musikalische Schaffensdrang
aus ganz allgemeinen Empündungen herausgestalten, aus ganz all-
gemeiner Erregung und Bewegung: Ruhige Heiterkeit giebt ruhige Be-
wegung, Freude schnelleres Pulsen, schnellere Bewegung; Unruhe,
Hast, Zerfahrenheit u. s. w. äussern sich in der Art der Bewegung; ge;
haltene Kraft, rohe Kraft, Stärke, Milde drücken sich in der Qualität
des Bewegten aus; desgleichen Trübung, Klarheit u. s. w., Alles dies in
der Art des Tones und der Art seiner Bewegung. Wie weit diese all-
gemeinen Zustände im allgemeinen Empfinden bleiben oder durch be-
stimmtere Empfindungen und Gedanken beeinflusst sind, kommt je
darauf an. S0 gut der Architect ein architectonisches Formenspiel
entwerfen kann (z. B. Construction einer Fensterrose, eines Mosaiks,
von Arabesken), das an sich gar nichts mit einer bestimmten Idee zu
thnn hat, und wieder im Anlehnen an eine bestimmte Idee, in der Aus-
führung eines Auftrages für diesen und jenen Zweck, sein Werk, Kirche,
Palast etc. schafft, so kann der Musiker im rein musikalischen Formen-
spiel aus der allgemeinsten Tonempfindung und T0nfreude_ heraus
schafften (bei fugenartiger Behandlung; das Thema wird durchvariirt,
vergleichbar den Formvariationen eines gofhischen lllaasswerks); er
kann eine bestimmte-Idee zu Grunde legen, indem er von bestimmten
Seelenzilständen, von dichterischem Text u. s. w. ausgeht und die all-
gemein musikalischen Zustände derselben ausdrückt. Seine musika-
lische Empfindung muss eine wahre, schöne sein; in den schönen Tönen,
in ihrer inneren Gesetzmässigkeit, wie in deren Beziehung auf das vor-
tragende Instrument giebt er ihr die tönende, sinnliche Verkörperung.
Einheitlich, jeder Willkür entzogen, wie frei es auch sein mag, Wahr, er-
Scheint dann das Tonwerk, sobald der Künstler die Tonwelt richtig zu
beherrschen versteht. Sein Kunstwerk ist deshalb ein durchaus aus
innerer Nothwendigkeit hervorgegangenes; Willkür ist ausgeschlossen ;