Vocalmusik.
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Stimme des Mannes. Weiter ist hinzuweisen auf den Unterschied der
Brust- und der Kopfstimme (Falset, Fistel). Bei jener ist der Ton voll,
frei; sie ist die natürliche, in welcher sich die gewöhnliche Sprache bc-
wegt und welcher auch das gesungene YVort hauptsächlich zufällt; die
Kopfstimme wird durch Xiercngerung der Stimmritze erzwungen; bei ihr
ist die Kehle mehr zu einem blossen Instrument gemacht, wodurch auch
die Töne, welche ohne Wortstütze gebraucht werden, ihr besonders zu-
fallen; so z. B. beim Jodeln, wo sie instrumentartig wirkt. Die Cha-
racterunterschiede der Stimmen sind bekannt. Der Sopran ist Ausdruck
der Weiblichkeit, mit all' den Vortheilen und Schwächen des Weibes
rein, klar sanft, scharf, leidenschaftlich kurz alle Gegensätze desselben
ebenfalls zeigend. Tiefer, milder, gehaltener ist der Alt. Die Kinder-
stimmen zeichnen sich aus durch Reinheit und Unschuld; die Naivetät,
das Inbrünstige und doch so Beschränkte macht sie oft zu unübertreü-
liehen Instrumenten. Tenor ist wie jugendliche, feurige Manneskraft;
Bass ist gesetzter, rauher, dröhnender. Dazwischen der Baryton, wie
ZWiSCDCII Sopran und Alt der Mezzo-Sopran gesetzt wird. Gewöhnlich
verbindet sich mit der musikalischen Geltendmachung der Stimme das
Wort, die Sprache. Nur ausnahmsweise wird der Ton an sich von ihr
gebraucht, wie z. B. im 'l'riller, bei Stimmübungen u. s. w.; wir werden
nur das gesungene Wort in Betracht ziehen.
Man hat hiernach nun die Musik getheilt inlnstrumental- und
Vocalmusik und aus der Vereinigung beider ein drittes Gebiet gebildet,
somit auch in der Musik die beliebte Dreitheilung durchführend.
Gehen wir von der Vocalmusik aus, so finden wir die Erhebung der
Stimme zum Gesange, d. h. ein gesteigertes Gefühl hebt Höhe und Tiefe,
Länge und Kürze der Wortsilben bedeutender hervor; die Gefühls-
erregung zeigt sich gleichsam in höheren und tieferen, längeren und
kürzeren Tonwellen, danach die Worte nun gehoben und gesenkt, ge-
dehnt und gekürzt werden. Es ward oben bemerkt, dass ein begriHener
Ausdruck eines Zustandes im Worte offenbar wird; auch das allgemeine
Gefühl, ja dieses zuerst, wird sich natürlich in dieser Tonbeivegung ver-
rathen, so z. B. im Singen des noch spraehunkundigen, d. h. noch nicht
begreifenden Kindes, wie ein Gleiches geschieht beim Vorsichhinsummen
des Erwachsenen, darin er der allgemeinen Stimmung Ausdruck giebt,
ohne sich auf Wort oder Gesang etc. zu concentriren. Aehnlich der all-
gemeine Gefühlsausdruck, der keine Worte findet, beim Jodeln, beim
Trällern, Trillern u. dergL, bei dem etwa rein körperliche Lust oder
das allgemeine Wohlgefallen an Tönen Ursache ist. Wo die Sprache
aber zum Gesange gesteigert werden soll, da muss eine Gefühlserregung
zum Grunde liegen. Das Gesprochene muss also dazu stimmen. Wenn
mit den Worten keine Empfindung zu verbinden ist, so ist überhaupt
kein Empfindungsatlsdruck, d. h. keine Musik dazu möglich, wenn keine
Unwahrheit, kein Unsinn herauskommen soll. Die Abstraction, alles