Tonwerkzeuge.
423
zusammengehörige Paar nennen dürfen; die Bratsche ist Bruder der
Geige, noch ein Jüngling. Der Contrabass bewegt sich in der Tiefe;
fest, machtvoll, nicht zu geschwind geht er seinen Weg. Seine Sprache
ist gewiehtig, gewaltig in der Aufregung; dumpf, drohend ist sein Zorn.
Zu Tandeleien ist er nicht mehr geeignet; er wird dann wenigstens
leicht komisch. Im Quartett verbindet er sich gern mit der Bratsche,
aber Geige führt doch die erste Stimme, jubelt, schluchzt, weint. Trotz
der leidenschaftlichen Seenen, welche sie zusammen aufführen, welche
namentlich Geige und Violoncello haben, über welche Bratsche sich be-
kümmert, Bass oft zürnt, die Schwester der Geige, die zweite Violine,
die meistens zu ihrer Schwester steht, aber doch ruhiger ist, wollen wir
hier nicht berücksichtigen bilden sie doch zusammen die schönste
Harmonie. Wie weit sie auch auseinandergehen, sie gehören doch
zueinander; ihre Verschiedenheiten bringen reiches Leben; Schläfrigkeit
ist das ihnen verhassteste. Es ist in ihnen ein herrliches Zusammen-
wirken, welches zum Muster dienen könnte für das Zusammenwirken
verschiedener Gharactere, die freilich innere Einheit haben müssen.
In den Reissinstrumenten werden Saiten durch Reissen, Zupfen
bewegt. Der Ton ist je nach den Saiten metallenen, thierischen,
umsponnenen verschieden. Vom tiefen, vollen, gloekenartigen Klang
geht er bis zum leichtesten, luftigsten Gesäusel und gleichsam weinenden
Verhanchen, wenn der Ton der Saite verzittert. Die unmittelbar in
Bewegung setzende Hand vermag einen nicht geringen Einiiuss durch
Weichheit, Härte des Griffs u. s. w. auszuüben. Doch übergehen wir
hier die Harfe, die Laute, die klingende Oither, die Guitarre u. a.
Werfen wir unter den vielen Instrumenten nur noch einen Blick auf das
Klavier. Hammer, welche von den durch die Finger geschlagenen
Tasten in Bewegung gesetzt werden, schlagen metallene Saiten an.
Man kann schon daraus ersehen, dass das Klavier ein sehr objectives
Instrument ist, welches die Subjectivität des Künstlers nie in einer
WVcise zu durchdringen vermag, wie z. B. Klarinette oder Geige. Der
Ton liegt fertig. Er kann durch Drücken, Ziehen nicht festgehalten,
dadurch nicht innerlich gemacht, nicht geschmolzen, nicht in einen
anderen Ton ühergezogen werden. Es findet freilich der grösste Unter-
schied beim Spiel statt; der wahrhaft künstlerische Klavierspieler hat
die Kraft, im Anschlag sein Gefühl durch all die Mitteldinge hindurch
noch electrisch auf den Ton wirken zu lassen, aber, wie schon gesagt,
ist diese Empfänglichkeit des Klaviers doch verhältnissmässig sehr
gering. Die Töne sind kurz, schnell vcrhallend, wodurch für die ein-
fache Melodie ein empfindlicher Mangel entsteht, indem die Töne nicht
die rechte Verbindung im Nacheinander bekommen. In gewisser Hin-
sieht wird dieser Mangel durch die grosse harmonische Fähigkeit gut
gemacht. Die Anzahl der Saiten, die Anwendung der zehn Finger, die
Sicherheit im gleichzeitigen Greifen mehrerer Tasten, für deren An-