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Die Tonkunst.
Die Schallfähigkeit können wir in active und passive theilen, je
nach der Kraft, Schall selbst zu erzeugen oder sich erzeugen zu lassen.
Das Metall z. B. muss durch eine äusserliche Ursache in Bewegung
gesetzt werden, um zu tönen; die Klangkraft ist schlummernd; sie ist
durch alle Theile zerstreut. In ihm ist keine seelische Coneentration,
in welcher die Kraft zusammengefasst ist, welche Ausdruck wird für
die Einzelkräfte. In den beseelten Wesen ist dies geschehen; durch
das Medium der Seele kommt auch inneres Leben frei zur Verkündigung,
wenngleich diese Freiheit aus tausendfachen Nothwendigkeiten der
Körperwelt zusammengesetzt ist. Mit dem Leben selbst ist dann oft
die Fähigkeit verliehen, Schall zu erzeugen, also Kunde von einem
Zustande zu geben, wie dieser durch eine Reihe von Verhältnissen
bedingt ist. Den höheren Wesen ward vielfach Stimme zu Theil. Wie
diese abhängig ist, erdrückt oder gefördert wird von den Elementen, in
welchen das Thier sich bewegt, wie Luft und Erde zusammen gleich-
sam die Stimme oder wenigstens die angenehme Stimme hervorbringen,
wie das Reich der Tiefe, des Wassers wie der Erde meistens stumm,
wie die lärmenden Wellen laute, scharfe, schrille Töne verlangen, sie
zu überschreien, wie Luft und Vegetation den schönen Vogelsang er-
zeugen, das ward im allgemeinen Theile angeführt. Es soll hier noch
aufmerksam gemacht werden, dass durchschnittlich die Sprache der
vierfüssigen Thiere derjenigen der Vögel an Innigkeit vor-angeht, ob-
wohl sie derselben an Schönheit, Reinheit, Klangwechsel weit nach-
steht. Das Stöhnen, Aechzen des Thieres, diese mannigfachen Aeusse-
rungen des körperlichen Web's, dann die seines Wohlbeiindens, seiner
Freude, die Stimme, mit welcher es ausser ihm liegenden Verhältnissen
Ausdruck giebt, der Laut, dass Gefahr vorhanden n. s. w., alle diese
Stimmtöne sind der grössten Aufmerksamkeit werth. Viel zu wenig
beschäftigt man sich mit der Sprache der Thiere; viel zu dumpf und
stumpf sind die meisten Menschen dagegen Kinder und Natur-
menschen ausgenommen.
Hier haben wir die Stimme der Thiere nur unter dem Gesichts-
punkte zu betrachten, um daraus zu ersehen, wie der Ton an sich
Ausdruck eines Zustandes ist. Beim Menschen finden wir plötzlich in
der Sprache die Ansätze im Thierreich, den Zustand näher zu bestimmen,
völlig entwickelt. Die Töne sind darin Ausdruck, nicht bloss des
dumpferen oder helleren Empfindens, sondern eines geistigen Begreifens
geworden. Vocale geben die Grundtöne der wunderbaren Sprache; sie
werden wieder durch die bestimmenden, sie ganz eigenthümlich hin-
stellenden Consonanten auf's eigenthümlichste iixirt. Erst in der Sprache
werden die Töne Träger des bestimmten, aus dem allgemeinen Zustand
loslösenden, durch Scheidung einigenden Erfassens. Im Wehschrei, im
Jubel, im Lachen, im Laut der Ueberraschung, der Angst haben wir
Ausdruck eines ganz allgemeinen unbegriifenen Zustandes; im Wort hat