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Die Malenei.
copirte und ein in den Formen abgeschmacktes Bild lieferte? Höchstens
der Forscher der Culturgeschichte, der Antiquar u. s. w. Wer die Trag-
weite eines so einfachen Gedankens ermisst und das malerische Kunst-
werk von der Illustration (wie das Gedicht von der prosaischcn Erklärung
und Beschreibung) zu sondern weiss, wird der Kunst ihre noth-
wendige Freiheit zu bewahren wissen und den richtigen Standpunkt
finden.
Was die vielberegte Frage anbelangt, 0b der Maler das Uebersinn-
liche hereinziehen darf, so lässt sich auch da nur mit dem antworten,
was Lessing in Bezug auf Gespeustererscheinungen gesagt hat. Der
Künstler soll sie da bringen, wo sie hin gehören. Der Glaube ent-
scheidet dafür. Doch soll der Maler sich nicht einbilden, dass er stets
einen deus ex machina bereit halten (larf, der über die Schwierigkeiten
hinweghelfen muss, nachdem demselben in der Dichtung das Handwerk
gelegt ist. Ferner soll er nicht vergessen, dass die übersinnlichen Ge-
stalten z. B. eines Klopstock zwar sehr zweckdienlich sind, um aus der
Kleinnialerei eines „J0hann der muntere Seifensieder", so anmuthig die-
selbe sein mag, oder aus Brockes und Ehren-Gottschcds oder Herrn
von 'llrillers Dichtungen hinaufzuzeigen in eine andere Welt, dass sie
aber leicht recht langweilig werden, und langweilige Schönheiten noch
schlimmer sind als interessante Hässlichkeiten. Die Malerei drängt
zum Concreten. Der Maler soll sich wohl hüten, dass er nicht verdacht,
wo er durch übel-irdische Erscheinungen wirken will, was immer ge-
Schicht, wenn er dadurch nichts weiter bezweckt als eine Erklärung des
Dargestellten;
Ueber die mancherlei Arten der Historien- und Ideenbilder muss
ich hinweggehen, indem eine Aufzählung doch nur ungenau sein könnte
und wenig besagen würde. Was könnte es helfen, hier auf wenigen
Seiten einem Rafael oder Rubens folgen zu wollen. Man braucht nur
an einen Cornelius, an Schnorr, an Genelli, Overbeck, Kaulbach, Dela-
roche, Vernet, Gallait zu erinnern, will man Namen der Gegenwart oder
der jüngsten Vergangenheit nennen, um die Verschiedenheit dieser Ge-
biete zu erkennen. Man denke an C0rnelius' Faust, seine Nibelungen,
seine Bilder des Campo Santo und sein jüngstes Gericht, an Schn0rr's
Kaiserbilder und die biblischen Bilder, an Overbeckis Heiligenmalerei,
an Kaulbachis Ideenbilder der Geschichte, Genellfs Compositionen aus
der Antike, an Delarochds Geschichtsbilder gleichsam im Stil Macau-
lay's und man wird leicht die Unmöglichkeit erkennen, in der Kürze
die Unterschiede hervorzuheben. Jeder bedeutende Mann hat seinen
Stil. Und jede Sache erfordert wieder ihren eignen. Mit übermässigem
Definiren aber ist wenig gethan. Wir müssen hier dem Leser das Ein-
zelne überlassen und können es um so leichter, weil die Absicht ferne
liegt, demselben durch Worte die Eindrücke zu geben, welche er durch