Genre.
lJortrait.
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noch einen grossen Unterschied machen, wie ein solches Bild gefasst
ist, 0b es frisch und genau aus dem Leben herausgegriffen erscheinen
soll oder ob es keinen Anspruch auf die gewöhnliche"Lebenswahrheit
macht, sondern als ein Gemälde der Phantasie sich hinstellt, indem es
sich nicht um den gewöhnlichen Bedarf und die Nothdurft des Lebens
handelt. Der Maler z. B., welcher eine Genrescene aus dem Olymp dar-
stellt, wäre ein rechter Thor, wenn er für seine Gestalten Wollen- und
Seidenkleider gleich einem Mieris wählen oder ihnen Wein und Wild-
pret versetzen wollte, wie Gabriel Metzu malt. Was haben seine Ge-
stalten damit zu thun! Es müsste denn sein, er wäre ein Spottvogel
und wollte uns, wie Rembrandt in seinem Ganymed, die Himmlischen
etwas näher rücken.- Phantasiebilder hat man nicht mit den Augen
eines Kammerdiencrs anzusehen, noch mit denen einer Modistin oder
eines Materialisten. i
Im Portrait wird das künstlerische Abbild einer Person gegeben.
Wahl des besten Momentes, Hervorhebung des Grundwesentlichen, des
Bedeutenden wird, wie schon früher auseinandergesetzt worden, ver-
langt. Der Portraitmaler, der ein hässlicheres, unbedeutenderes Gesicht
malt, als sein Vorbild zeigt, ist ein schlechter Künstler. Ein Maler,
welcher die Spuren nicht vergisst, die das Kopfweh heute Nacht auf
der Stirn einer Dame hinterlassen hat, oder das Bläschen am Munde,
über welches sie sich seit mehreren Tagen ärgert, ist ein trauriger Por-
traitist; aber zehnmal trauriger, wer eines Oliver Cromwells gefurchte
Stirn glatt streichen will, Runzeln und Falten, drin Schlachten und
Siege und Sorgen, drin mächtige Gedanken und Völker bewegende Ent-
schlüsse sich eingegraben haben. Wahrheit ist die Losung für den
Maler. Aber die Wahrheit des ilVahren, des Charakteristischen, nicht
die des Zufälligen. Dort soll er kein Härchen opfern; der letzte
Zwickel eines Fältcheus mag bedeutend, ja unerlässlich sein; hier hat
er sich wenig zu kümmern, mag der Zufall sich auch nicht so wichtig
gebahren. "die
Im Historienbilde und im Ideenbilde, wie wir die Darstellungen
nennen wollen, welche Träger allgemeiner bedeutender Gedanken sind,
haben wir ein Gebiet der Malerei, welches der Geschichtsschreibung
und, wie Garriere sehr richtig sagt, der Geschichtsphilcsophie analog ist.
Wir haben schon in dem Abschnitt über den Stil über das Wesen des
historischen Stils gesprochen. Es sind die grossen, wichtigen Momente,
welche die Geschichte verzeichnet. Sie wandelt auf den Höhepunkten,
wohl die Wege weisend, die hinauf- und lnnabführen, aber dieselben
nicht Schritt für Schritt durchmessend, Wenn der Maler uns ein Gefecht
zeigt: französisches Fussvolk der Kaiserzeit rückt zum Sturm an; eine
Truppe alter Soldaten . . weite Lücken 11] die Glieder gerissen, aber
vorwärts geht es noch mit festen Schritten, wie auch der Tod wüthet,
wie sie auch übereinander sinken so ist das ein Genrebild, eine