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Die
Malerei
Fest, namentlich von den niederen Klassen gefeiert, ein trcfflicher Vor-
wurf für ein Genrebild und auch tausendfach benutzt._ Musik, Tanz,
Trinkgelage, Vergnügungsjubel sind immer dieselben; Uniiätherei bleibt
selten aus. Der Maler vergisst ebenso selten, sie uns vorzuführen;
meistens weiss er die humoristische Seite dabei vorzukehren. Aber
Rubens tritt an die Staffelei. Auch er malt eine Kirmess und plötzlich
wird es die Darstellung eines vlämischen Bachanals. Der Humor belebt
es, aber mehr als durch ihn wird es durch eine grossartige wilde Lust
und Lebensfreude gehoben, die als Ausdruck einer gewaltigen Volks-
kraft uns entgegentritt. Roh mag ein solches Volk sein, von Feinheit
wenigstens ist keine Spur zu entdecken in dem wild bachantischen Reigen
von dem Mädchen an, das sich niederhockt, bis zu dem Schweinestall,
draus die Sau den Rüssel schiebt. Sinnlichkeit, Völlerei und Schweinerei
ist zu schauen, aber auch eine unbändige Naturkraft eines derben, tüch-
tigen, durch Nichts angekrankelten Volksstammes. Durch künstlerische
Kraft und die Wucht des Dargestellten ist ein solches Bild weit über
das gewöhnliche Genre hinaus gehoben. An die komische Kraft des
Lebensmalers zu erinnern ist nicht nöthig; wenn wir ihn auch denMaler
des bürgerlichen Trauerspiels nannten, so braucht man nur an Ritteris
ertrunkeneil Sohn des Fischers (Fig. 52) zu denken. Welch ein unend-
licher Schmerz in dem Vater, der so laut- und thränenlos das-itzt, das
Schicksal in geballten Fäusten gleichsam zermalmend. Weh ist in das
Haus gezogen, wo der Todte Freude verbreitet hat, der schlanke,
schöne Bursche. Jahre, viele Jahre der Vergangenheit und der Zukunft
sind zerstört. Das heisst Tod, Schatten des Menschenglücks, Schmerz!
Sieh alle die Männer an. Wenn Einer trösten kann, so kann es der
Alte im grauen Haar; in welcher Meerestiefe mag sein Sohn ruhen?
Und Allen droht dasselbe Schicksal o Menschenleben, Lebensbild
des Todes! Aber vorüber mit solchen Bildern. Ebenso heitere, wie
jenesbtrailrig, behäbige, glückliche, Thorheit und erste Liebe, Gross-
mutterruhe und Mutterfreude, Himmelhoch-Jauchzen und zum Tode
betrübt sein die Palette des Lebensmalers enthält eben alle Farben,
alle Stimmungen.
Im Allgemeinen verlangt die Darstellung des Genre, wie schon das
Thierstück, kleine Verhältnisse des Bildes. Je unwichtiger der Gegen-
stand, könnte man sagen, desto kleiner soll derselbe uns gezeigt werden:
er darf sich dann auch äusserlich nicht breit machen. Ein Thierbild in
Lebensgrösse wird viel Fellmalerei zeigen; wie gross auch die Sorgfalt
sein mag, womit jedes Haar gemalt worden, wir werden mehr Geschick-
lichkeit als Kunst daran zu bewundern haben. Ebenso verlangen wir
beim Kleinleben kleine Dimensionen; die feine, sorgsame Behandlung
des Details muss dafür uns anziehen. Das Einzelne im Ganzen, das
Genaue, Reizende hat in seiner Art zu ersetzen, was an Grösse, strenger
Schönheit und Bedeutsamkeit abgeht. Aber auch hier wieder wird es