Thierbild.
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Wo ist nun das freudige Leben? Der Wind schrillt durch den ent-
laubten Wald und bricht darin die Zweige, die Sonnenzeit ist dahin;
es geht bergab mit Leben und Jahr, und Noth und Mühsal schütteln
freudlos Natur und Menschen, ehe der Winter und das Grab sie betten.
Im Thierbild ergreift der Maler mit aller Kraft und Macht, auch
das Seelische wiederzugeben, die Thierwelt. Wohl war dieselbe schon
der Plastik geöffnet, der das geschlossene des thierisehen Wesens vor-
trefflich zusagt, aber statische Gründe, um nur auf diese hinzuweisen,
beschränkten doch vielfach. Nun kann die Malerei die höchstgesteigerte
Bewegung darstellen, oder wenn sie Lagen der Ruhe wählt, so weiss
sie durch den Boden, durch Wald und Busch und Gras, darin das
Thier z. B. lagert, für die Verkürzung der Formen zu entschädigen.
Die ganze, so grosse Freude am Thier, sowohl was dessen Form, als
was dessen seelisches Wesen betrifft, findet in der Malerei ihren Aus-
druck. Das weite Gebiet der Individualität öffnet sich dabei dem Maler;
er kann Characterzüge hineinbringen, die sich in satirischer Weise so-
gar bis auf eine menschliche Höhe schrauben lassen, wofür Kaulbach's
scharfer Reinecke Fuchs das trefflichste und bekannteste Beispiel liefert.
Für gewöhnlich freilich hat der Künstler sich vor solchen aus dem
Thierischen herausgehendcn Bezügen, wie vor jeder Unwahrheit über-
haupt zu hüten. Soweit die Erde, soweit des Malers Reich. Die Eis-
fclder des Nordpols und die Wüsten und Meere des Aequators, Tag
und Nacht sind ihm gleich; so auch die Thierwelt; er stöbert den
Eisbären in den Eisklippen auf, er jagt ihn vielleicht; an dem Boote
klettern die schwimmenden Bestien empor oder über das Schneefeld
tobt der Kampf, und Messer und Beil hackt und die Lanze knickt unter
den Pranken der grimmen Feinde; oder er schildert die Löwenjagd:
auf das bäumende Ross in den Rücken des Reiters setzt der Löwe; am
Boden verröchelt der Tiger, Mensch und Thier im wilden Kampf. Oder
die Eberjagd geht aus dem Wald in die Ebene. Der Eber bricht hervor,
vor ihm taumeln vom Schlag der Hauer niedergeworfen die Hunde; aber
hinterdrein die gierige Meute und vor ihm die Meute . wie das lebt,
kämpft in Kraft, Zornwuth und Energie! Oder der Künstler will nicht
jagen. Nicht Bär, nicht Löwe, noch Wolf oder Adler reizen ihn. Er
ist gemüthlicher Natur; die Hetzjagd mag er nicht; er sieht die Thiere
gern ohne Kampf; er lässt den stolzen Hirsch ruhig aus den Wäldern
treten; die schlanken, starken Hirschhunde rasten; der Fuchs spielt
vor dem Bau mit seinen Jungen. Oder er denkt nicht an Wild. Da,
sind die Kühe auf der Weide. Das rastet und liegt und steht und gmst
und wedelt die Fliegen ab und reibt sich an den Bäumen und brüllt
hinaus in die Ferne, dem Dorfe zu, wo die Milchmädchen mit den
Eimern auf dem Fusspfade hinter den Zäunen hervor-kommen. Was
der Stier da trotzig steht! Welch ein Haupt, welcher Nacken und dieser
schiefe Blick. Das ist ein Bursch Achtung vor ihm. Oder die