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Malerei.
Die
aber öfters vor Sonnenaufgang sich auf den Weg zu machen, sowie in
den späteren Abendstunden zuweilen zu marschiren, um das Angesicht
der Natur in einer ungewohnteren Stimmung als in der des vollen
Tages zu sehen. Die meisten Stubenmenschen kennen ihre Gegend
nicht anders, als etwa von zwei Stunden nach Sonnenaufgang bis zum
Sonnenuntergang 11nd oft nur in der Nachmittagsbeleuehtung.
Die Landschaft nimmt, wie auch das Architectm-bild, gern beseelte
Wesen zur Belebung, dann auch gleichsam zur Erklärung in ihre
Darstellungen auf. Auch hier gilt aber, dass unsere Aufmerksamkeit
nicht zu sehr durch Scenen aus dem Menschenleben oder Thierleben
zersplittert werden darf, wenn nicht ein völlig veränderter Eindruck
entstehen soll. In dem Augenblicke, wo die Darstellung der Thier-
oder Menschenwelt ein vorwiegendes Interesse in Anspruch nimmt,
sinkt die Landschaft zur Nebensache herab; dort, wo ein gleich schwer
wiegendes Interesse stattfindet, Wird nicht etwa durch diese Zusammen-
stellung ein erhöhtes Interesse geschaffen, sondern Landschaft und
beseeltes Leben wiegen wohl einander entgegen und gewähren bei aller
Schönheit oder Gemüthlichkeit und Fülle doch nicht diesen in der
Sammlung so mächtigen Eindruck, den die Concentrirung auf einen
Hauptpunkt erweckt. Wird eine menschliche und thierische Staffage
gewählt, so ist es selbstverständig, dass sie zu dem Character der
Landschaft stimmen muss, wenn nicht eine zersplitternde Neugierde
erregt werden oder ein unharmoniseher Zug in das Gemälde kommen
soll. Was die Belebung einer Gegend überhaupt betrifft, so kann auf
das bei der Vegetation Gesagte zurückgewiesen werden. Auch die
üppigste Gegend lässt uns wohl das bewegliche Leben der Thierwelt
darin vermissen. Eine Landschaft ohne jede Spur desselben kann uns
wohl wie todt erscheinen, während sie einsam wird durch ein scheues
Thier, das wir ruhig darin gewähren. Ein flüchtiges Reh macht einen
Wald lebendig, unruhig, denn es deutet auf Verfolger, seien es Thiere
oder Menschen; ein ruhiges Reh ist Waldeinsamkeit. Ein sitzender
oder nahe und ruhig kreisender Adler bedeutet Oede, darin nichts sich
regt, was den wilden, seharfsehauenden Räuber zur Flucht oder zum
Angriffe fortstürmen lassen könnte; eine grasende Kuh bedeutet Men-
schennähe. In die wildeste Einöde eine Kuh oder ein Pferd mit einer
Halfter gestellt, würde sogleich unsere Neugierde erwecken, was das
Thier hier zu thun habe, wie es dahin gekommen sei. Auf den Nach-
drnck, den eine Staffage giebt, brauche ich nur hinzuweisen. Eine
graue Herbstlandschaft, über welche der Abend hereindunkelt, trüb,
düster, erfüllt uns mit Melancholie. Ein alter Mann darein, der sich
mit einem Holzbündel dahinschleppt, und der Herbst und der graue,
fröstelnde Abend des Jahres und Lebens liegt vor uns. Der Frühling
ist verblüht und der Sommer ist vergangen nun geht es abwärts,
mühselig, düster, kläglich zum Winter und zum letzten.Sehlummer.