Landschaft.
Die
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und dabei doch auf den höchsten Stufen ihrer Kunst stehen. Wie der
Schauspieler des Globe-Theaters in London, der fast sein Leben zwi-
schen Ooulissen, in der Garderobe, auf den Brettern der Bühne und in
der Schreibstube verbringen musste, doch wie kein anderer weiss, wie
der Wind über die Haiden so schaurig am Herbstabend weht, wie kalt
die traurige Nacht an den erloschenen Lagerfeuern, wie eisig der
Sturm, wie grimm die Wetter um den wahnsinnigen König wie ein
Shakespeare, oder gleich einem Homer, so ursprünglich empfindet ein
Ruysdael. Der Bauer, der Soldat des Feldlebens, der wandernde Hand-
werksburseh, der vom Wetter abhängt und noch weiss, wie Wohl die
Sonne thut oder wie sie brennt, wie labend der Schatten des Waldes in
der Mittagsgluth, wie durehkältend der Herbstwind, wie bang die Nacht
diese Naturseelen können nicht tiefer empünden als der Meister, der
jede Raffinerie der Zeichnung und der Farbe kennt, studirt und an-
wendet. Diese höchste Einfalt bei höchster Kunst giebt das unüber-
treffliehe Kunstwerk, in dem auch das Einfachste bedeutend, weil in
seiner ewigen Wahrheit, erscheint. Dadurch kann uns nun nicht bloss
das an sich in Form und Farbe Schöne und Grosse entzücken, sondern
wo das Walten der Natur in einer solchen Weise ausgesprochen ist,
dass wir diese Unmittelbarkeit empfinden, da spüren wir den vollsten
Hauch der Kunst. Es versteht sich, dass beide Arten sich in schönster
Weise vereint zeigen können, und sieh bei grossen Landsehaftern ver-
eint zeigen; es galt hier nur zu erklären, worin im anscheinend Ein-
fachsten das ewig Fesselnde liegt. Mit offnem, tiefem Natur-sinne folgt
nun der Maler allen Wandlungen der Luft, der Gegend, der Zeiten des
Tages und des Jahres. Oft ist seine Begabung auf gewisse Empfin-
dungen und Formen beschränkt; dem Einen gelingt nur die Darstellung
trüber melancholischer Landschaften des Nordens; einem Andern nur
die tiefen glühenden Bilder des Südens; hier schildert ein Backhuysen
uns den {lachen Seestrand mit dem steifen Wind und Regenschauern
darüber oder die breite, ruhige Flussmündung, dort führt uns ein Sal-
vator Rosa in schaucrliche Gebirgsschluchten oder an den hoehfelsigen,
unterhöhlten Meerstrand südlicher Küsten.
Aber nirgends ziemt mehr die Kürze, als wo man dem Gegenstande
doch nicht durch eine längere, seiner Wichtigkeit und Schönheit immer
noch zu kurze, Ausführung gerecht werden könnte. Andererseits haben
wir auch hier den Vortheil, dass gerade in der Landschaftsmalerei
die Neuzeit viel des Guten gebracht hat und sich Jeder leicht an den
Schöpfungen eines Rottmann, Calame, Schirmer, Breller, Lessing, Achen-
bach, Heinlein, Zimmermann, Morgenstern, Sehle1eh„LöHler, Th. Rous-
seau, Gudin u. A. erfreuen kann. Den stubensit-Zöüdcn, Landschaft lie-
benden Laien aber Wäre zur Gewinnung laudSßhaftlichen Blickes zu
rathen, Wenigstens bei ihren Reisen sich nicht zu viel in Wagen und
nicht bei jedem drohenden Regen in ein Wirthshaus zu stecken, dann