Die Landschaft.
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Griechen in der Darstellung der Gärten des Alkinous, des Laertes,
der Landschaft der Calypso und bei den Römern, dann überhaupt
wohl im Mittelalter (die Rosengärten), ferner so häufig bei den meer-
bezwingenden Holländern mehr eine Freude am schön Geordneten,
Gartenmässigen, Reizenden gewahren, worin die Natur sich völlig oder
leicht der Macht des Menschen fügt, als an ihren grossartigen Schöpfungen
und dass der Mensch, von der Natur noch gedrückter, noch lieber sich
in sein Menschenwerk, wie in seine Muschel zurüekzieht und das Zimmer,
die Architectur, die er geschaffen, höher stellt als die freie, ihm gleich-
sam roher erscheinende Landschaft. Stets aber hat es Sinn für die
Naturschönheit gegeben; der Römer, der sich nach Bajae oder in sein
Tibur zurückzog, wusste sie wohl zu schätzen; selbst den eisigen Soracte
sah er nicht so ungern ragen, obwohl er, wie schon gesagt wurde, noch
in der schwierigen, wilden, gewaltigen Natur mehr den Feind erblickte,
als dass er daran eine solche Freude empfunden hatte, wie hauptsächlich
Wir Stubenmensehen, die wir froh sind, eine noch ungebändigte Natur
zu sehen. Die antiken landschaftlichen Darstellungen zeigen uns eine
schöne, stilvolle, durch Architectur u. drgl. geschmückte Anlage; die
menschliche Thätigkeit waltet darin vor; dabei aber ist die landschaft-
liche Freude an Meer und Land, schönen Hügeln, Bauwerken, Gärten
u. s. w. deutlich ausgesprochen. Zur Ausbildung der Landschaftsmalerei
gehörte aber eine hohe Technik, z. B. genaue Kenntniss der Linear-
perspective und grosse Farbenbeherrsehung für die Darstellung der
Luftperspeetive. Ausserdem freilich musste auch wohl noch ein Anderes
hinzu kommen: der Mensch musste erst so sehr von der Natur in Haus
und Stadt und Mauerring abgeschlossen sein, dass endlich eine gründ-
liche Reaction dagegen nothwendig ward und er wieder an die Brust der
Natur iiüchtete, um sich gleichsam vor sich selbst und seinen Einseitig-
keiten zu retten. Ich möchte hier auf Züge aus dem Leben eines grossen
Atheners und eines grossen Florentiners hinweisen. Sokrates pflegte zu
Sagen, dass er von der Natur wenig lernen könne und darum den
Menschen und der Weisheit nachginge; wenn es nicht nöthig war, ging
61' nicht aus dem Mauerring von Athen hinaus. Auch Michelangelo fand
seine Aufgabe im Menschlichen beschlossen; wir sahen, wie er die für
niedriger erachtete Natur, darin ein Kind der älteren Zeit, zurück drängte.
Aber wie Soerates unter dem schattigen Ahornbaum am Ilissus in Ent-
Zücken ausbricht, so finden wir auch in Michelangelo einen Durchbruch
des Naturgefühls. Es will uns an Moses gemahnen, der aus der Ferne
das gelobte Land erschaut, wie der betagte Greis auf den Bergen von
Spoleto steht und den Geist der stillen Wälder und Berge in sich saugt.
„Ich habe," schreibt er, „in diesen Tagen mit vieler Beschwerde und
vielen Kosten, doch zu meinem grossen Vergnügen unternommen, die
Einsiedler in den Bergen von Spoleto zu besuchen, dass ich kaum mit
halbem Herzen nach Rom zurückgekehrt bin; fürwahr nur in den Wäl-