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Malerei.
Die
tecturbildern ist etwas Aehnliches; das blosse Wiedergeben der Form
eines Bauwerkes würde nur eine bauliche Bedeutung haben; durch Luft
und Umgebung, sowie durch Hervorhebung der Bedeutung desselben für
den Menschen, weiss der Maler daraus ein malerisches Kunstwerk zu
machen. Eine Hütte ist unter seinen Händen nicht bloss eine Hütte,
sondern etwa eine Wohnung zufriedener Armuth; ein Palast wird zu
einem Wohnsitz des Reichthums, der stolzen Grösse oder des ver-
kommenden I-Iochmuthes. Je mehr übrigens auch hier die Objecte für
sich selber sprechen, desto objectiver kann und soll der Künstler sein;
dazu gehört freilich, dass er sich um so tiefer in den Geist des Archi-
tecten und in das Kunstwerk des Gebäudes selbst versenkt. Wie auch bei
einem solchen Architecturbild bald die Form, bald die Stimmung, z. B.
bei Darstellung von Ruinen, das vorherrschende Element sein kann,
brauche ich nicht auseinander zu setzen. Wie das Stillleben in's Genre,
so führt das Architecturbild in die Landschaft oder es verschmilzt wohl
der Art mit ihm, dass man kaum einen Unterschied machen kann und
nicht weiss, wohin man ein Gemälde rechnen soll. Ganz bestimmte
Gränzen giebt es überhaupt für solche Eintheilungen nicht; nur die
Forderung, eine Hauptsache zu geben und nicht viele Dinge zu bieten,
deren keines durch einen besonderen Nachdruck als Hauptsache hin-
gestellt ist, wirkt hier bestimmend ein.
Das Landschaftsbild ist eine der neuesten grossen Errungenschaften
des künstlerischen Geistes. Erst seit wenigen Jahrhunderten hat es der
Maler verstanden, ein grosses Stück Natur so zu durchdringen und
geistig und technisch zu beherrschen, dass er es zu einem Hauptvor-
wurfe seines Werkes machen konnte. Aus der Bildung des Hinter-
grundes für menschliche Darstellungen erwuchs die Landschaft, nicht
zum wenigsten durch Tizian gefördert, der, mit hellem Auge in die
Natur schauend und mit höchster künstlerischer Kraft begabt, für seine
schönen Darstellungen auch die schönen Landschaften wohl zum Hinter-
grunde wählte, die seinen Blicken sich boten. Es wäre ein fesselndes
Thema, das Interesse und Verständniss für die Landschaft bei den ein-
zelnen Völkern zu belauschen, namentlich bei den Alten. (Siehe Hum-
boldt's Kosmos II und Jac. Burckhardt: Oultur der Renaissance in
Italien, Metz: Uebcr die Empfindung der Naturschönhcit bei den Alten
u. A.) Wir würden auch bei ihnen ein weit grösseres finden, als sehr
häufig angenommen wird, freilich ohne den sentimentalen Zug, dcn man
wohl seit dem vorigen Jahrhundert in die Natur zu legen gewohnt ist.
Mehr aber noch, als einem fehlenden geistigen Interesse möchte es der
Schwierigkeit der Darstellung zuzuschreiben sein, dass wir die Land-
schaft erst so spat auftreten sehen. Es ist wahr, dass der Mensch so
lange wohl die Natur als seinen Gegner betrachtet, bis er sie vollständig
besiegt hat und dass derjenige, welcher schwer mit ihr kämpfen muss,
sich hauptsächlich an der Besiegtcn erfreut, so dass wir bei den