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Die Malerei.
tecturmalerei, Landschaft, historische Landschaft, Thier-, Genre-,
Portrait-, Historienmalerei u. s. w. Jede Art wird wohl noch in ver-
schiedene Unterabtheilungen geschieden. Im Allgemeinen kann man sie
alle auf die Theilung nach dem Unbeseelten und Beseelten zurückführen,
soweit deren Erscheinungen überhaupt in das Bereich der Malerei fallen.
Entweder die unbeseelte Natur oder die beseelte Natur oder beide mit
einander verbunden geben den Stoff her. Da kann nun der Maler er-
greifen, was durch Form oder Farbe oder durch Form und Farbe sich
zur Darstellung eignet; dem Unbedeutenden kann er durch Licht und
Schatten oder durch die Farhengebung Bedeutung oder doch Interesse
verleihen, denn er nimmt nicht blos die Dinge, wie sie sind, sondern
wie sie scheinen, und da wiesen wir schon darauf hin, wie interessant
oder wohlgefällig uns unter besonderen Umständen, hauptsächlich durch
die Beleuchtung, durch die Stimmung, die darüber verbreitet wird, auch
das Gewöhnlichste, ja wohl gar das unter weniger günstigen Umständen
Hässliche erscheinen kann. Am westlichen Himmel lagern bleigraue
Wolkenmassen, dort am Horizonte einförmige schmale, nebelige Schich-
ten. Alles ist kalt, einfarbig. Aber die Sonne geht unter; der Nebel
erglüht und nun lodert es auf in den Wolken; die Feuerstreifen ihrer
Ränder breiten sich aus und das Grau und Grauviolett wird Gluth; war
es kühl und grau zuvor in unserer Seele, so glüht es nun auch darin auf
so still, so gross, so glücklich und doch wehmüthig-sehnend: in Licht-
empfindungen ein stummes, höchstes Jauchzen. Aber die Sonne sinkt
hinab und grau und fahl wird, was geglüht hat in Purpur und Gold-
glanz. . Des Malers Seele aber ist für sein Werk, was die Sonne für
die Erde. Er giebt das Licht, giebt den frischen, klaren Glanz, die
heisse Schwüle, den Nebelblick, Sonnenaufgangs Aufglühn, Sonnen-
untergangs Verschwimmen, Dämmerung und Nacht. Er lässt die Sonne
klar scheinen, oder er breitet Waldesdickicht davor, dass die Strahlen
nur wie verstohlcn grüngoldig hindurch tliessen, oder er führt uns in
das dämmernde Gemach, wo er die Helle hinanssperrt und nur einen
Strahl hineinlässt, gerade hinein über die Wiege des Kindes, neben
welchem die Mutter sitzt, während der Vater im Lichten der Dämmerung
a-m Fenster arbeitet; oder Sonne und Himmel verhüllt schaurige Finster-
niss, nur um das Haupt eines Gekreuzigten ist der Himmel wie in die
Unendlichkeit hinein zerrissen und daraus strömt düstere Gluth um den
an's Kreuz Geschlagenen und überglänzt die Missethäter an seiner Seite.
Mit der Farbe thut der Maler diese Wunderdinge, mit ihr zaubert er,
durch sie führt er uns, wohin er will, stimmt er uns nach seinem Be-
lieben, wenn unsere Empfindungen eindrucksfähig sind. Fest hält er
uns durch die Form. Darum soll die schöne Form, wie gesagt wurde,
der Stamm sein, soll sie das feste Gerüste geben, um welches sich die
Empfindung schlingt. Der Maler nimmt sein Object, wie es am schönsten
erscheint, oder er macht die schönste Erscheinung. Und da es in der