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Die Malerei.
Ueber das technische Verfahren nur wenige Bemerkungen: Der
Maler bildet seine Werke auf Tafeln von Holz, von Stein, Kalk, Metall,
Porcellan, Glas, Elfenbein, Leder, Leinwand, Papier und anderen
Materialien. Das Verfahren ist dabei ein sehr verschiedenes. Bald
deckt er den Grund mit den Farben und benutzt ihn nur als Halt für
dieselben, wie z. B. bei der Oelmalerei; bald benutzt er den Grund des
Materials der Fläche selbst, wie in der Aquarellmalerei, wo er das
glänzende Weiss des Papiers durchscheinen lässt, die Farbe durchsichtig
darüber legt. Die Aquarellmalerei vermag dadurch eine sehr grosse
Wirkung in Bezug auf Leuchtkraft des Gemäldes hervorzubringen. Die
Guachemalerei benutzt die Farben wie die Aquarellmalerei, nur dass
sie dieselben undurchsichtig, deckend behandelt. Die Pastellmalerei
gebraucht trockene, farbige Stifte, deren Striche sie sodann verreibt.
Bei der Oelmalerei gehen die Farben vermittelst des verbindenden Oeles
die leichtesten Verschmelzungen miteinander ein. Beider vor der Oel-
malerei allgemein üblichen Temperamalerei wurden die Farben durch
Leimwasser, geschlagenes Eigelb, den Saft aus den zarten Sprossen
des Feigenbaumes gebunden; es ward auf Holz und Leinwand gemalt,
welches einen Gypsgrund bekommen hatte, dann auch auf trockner
Mauer. Das Malen auf trocknem Grunde heisst im Gegensätze zu dem
auf nassem Grunde (al fresco) auch Seccomalerei. Die Alten über-
zogen wohl ihre Malereien mit einer Wachsauflösung; sodann wurde
durch nahgebrachte glühende Metallplatten das Wachs in die Farben
hineingeschmolzen, die dadurch einen hohen Glanz bekamen. Nach
dem Einbrennen (äyxaleiv) wird diese Art Enkaustik genannt. Bei der
Frescomalerei werden die Farben auf einen feinen, feuchten Mörtelgrund
getragen, der mit den Farben zugleich trocknet, wodurch sie ihre Halt.-
barkeit bekommen. In neuerer Zeit findet die Stereochromie grosse
Verbreitung für Wandgemälde. Auf troknen Grund werden die mit
destillirtem Wasser gelösten Farben aufgetragen; sodann wird das Bild
mit Wasserglas überspritzt und dadurch geschützt.
Jede Art hat ihre eigene Technik und ihren eignen Stil. S0 z. B.
muss die Freseomalerei schnell malen; sie ist an die Nässe des Kalkes
gebunden. Sobald dieser eingetrocknet ist, ehe der Maler ihn hat be-
malen können, muss er wieder heruntergeschlagen und frisch aufge-
strichen werden. Dadurch wird der Maler gezwungen, im Grossen und
Ganzen zu arbeiten, einen breiten, kühnen Pinselstrich zu führen. Er
wird sich also an die Hauptsachen halten und Nebensächliehes bei Seite
lassen oder vernachlässigen. Von der Architectur in eigentlichster
Weise als Rahmen umschlossen, darf sie nicht in ihrem Stil aus dem
Architectonischen herausfallen und ist dadurch in dem ganzen Aufbau
des Bildes, in den Linien desselben an einen strengeren, jenem ent-
sprechenden Stil gebunden. Darum sagte Michelangelo, dass die Freseo-
malerei die Malerei für Männer, die Oelmalerei aber eine Kunst für