378
Malerei.
Die
diese Lehre vor Augen hat, wird sicherlich nicht seine Gemälde über-
laden durch unnütze Einflickungen und Nebenscenen, die eher ein Werk
verwirren, als sie die gewöhnliche Absicht des Künstlers erfüllen, sein
Werk reich erscheinen zu machen. Ueber die Nothwendigkeit, alle in
sich geschlossenen malerischen Erscheinungen auch als selbständige
Gemälde zu behandeln und somit sie auch durch Rahmen und dergl.
selbständig hinzustellen, habe ich schon gesprochen. Die einzelnen
Werke können sich dann allerdings ergänzend aneinanderreihen. Dass
der Künstler aber zur Darstellung seiner einheitlichen Idee nicht daran
gebunden ist, wie dieselbe sich nun etwa in der Wirklichkeit zuge-
tragen hat, braucht nach dem Gesagten nicht näher auseinandergesetzt
zu werden. Er hat nur zu fragen, 0b sie sich so zugetragen haben
kann; je mehr seine Darstellung zu der Wirklichkeit stimmt, desto
besser; je weniger sie stimmt, desto weniger darf er uns täuschen
wollen, desto mehr muss die rein künstlerische Behandlung vorwiegen
und uns darüber belehren, dass wir ein freigeschalfenes Kunstwerk vor
uns haben. Die ideale Behandlung wird dann verlangt anstatt der
realistischen, die sich genau an das Gegebene hält und in der getreuen
Nachbildung einen Werth setzt, den sie der strengeren Schönheit nicht.
glaubt opfern zu dürfen. Schon daraus ist zu ersehen, dass nicht Eins
sich für Alles schickt. Widernatiirliches ist niemals gestattet. Wie
durch unsern Blick Alles, was wir sehen, seinen Zusammenhang erhält,
so hat der Künstler durch das Durchdringen der Idee durch alle Einzel-
heiten seines Werkes demselben eine geistige Einheit zu geben. Fehlt
sie, so fällt das Ganze in Stückwerk auseinander, wie richtig auch die
äusseren einheitlichen Formen beobachtet sein mögen.
Wenn der Maler zur Darstellung seines Bildes schreitet, so gilt
es vor allem den Stoff zu ordnen. Wir begegnen hier wieder unseren
bekannten Gesetzen. Vor allen Dingen macht der Künstler, instinctiv
oder bewusst, eine Vielheit übersichtlich, indem er sie in wenige
Gruppen zusammenzieht, von denen jede wiederum in sich schön
geordnet ist. Er stellt also z. B. nicht dreizehn Personen gleichmässig
nebeneinander, sondern wendet auf sie eine dreitheilige Ordnung an. Be-
trachten wir das Abendmahl des Lionardo da Vi11ci (Fig.43). Der-Künstler
giebt eine Dreitheilung. Christus ist zwischen die beiden Gruppen zu
seiner Seite gestellt, von denen jede aus sechs Personen besteht. Durch
die Stellung in der Mitte, dann durch die Haltung seiner Arme und
Hände verbindet er dieselben auch in den Formen, ganz abgesehen von
dem Ausdrucke der Gesichter und den Gesticulatioilen der Jünger, die
alle auf ihn hinweisen. Die Lichtfülle durch die geöffnete Thür ver-
stärkt seine Bedeutung; denn Lieht und Farbe muss hier der Hoheit
des Ausdrucks des Einzelnen zu Hülfe kommen. Aber Lionardo war
damit nicht zufrieden, dass er durch diese Dreitheilung das AGQIIZB
übersichtlich gemacht, den Mittelpunkt hervorgehoben und durch die