Stellung zu
den übrigen Künsten.
Auffassung.
373
den sind, fallen aus seinem Bereich. Er kann das tiefste Sinnen dar-
stellen, kann auch durch äussere Andeutungen uns darauf hinweisen,
worauf das Sinnen gerichtet ist; die Gedanken wie durch das Wort aus-
zudrücken vermag er nicht. Wenn wir einen Menschen gemalt sehen,
der nachdenklich einen Todtenschädel betrachtet, so ist möglich, dass
er über die Vergänglichkeit aller Dinge nachdenken soll; an und für
sich sehen wir nur einen ernst-nachdenkenden Menschen. Jede Dar-
stellung eines abstracten Gedankens ist daher eigentlich der Malerei
unmöglich. Sie kann z. B. den abstracten Begriif "Vergänglichkeit"
nicht genau ausdrücken, sondern ihn nur annähernd versinnlichen. Sie
kann nicht "Ruhm" sagen, sondern nur einen ruhmvollen Helden bilden
oder eine Gestalt zeigen, die etwa Kränze austheilt. Statt einer Dar-
stellung der "Musik" wird sie uns doch etwa nur eine heilige Cäcilie
geben, statt des "Todes" einen Jüngling mit umgestürzter Fackel u. s. w.
Durch Glauben und Sitte können viele Begriffe ihre hieroglyphische
Bezeichnung bekommen, an welchen Jedermann sie leicht erkennt, und
der Maler mag diese Hieroglyphen dann aufis schönste bilden seine
eigentliche Aufgabe sind sie nicht. Die Dürftigkeit der Andeutungen,
der Symbole, welche noch in der Plastik erforderlich waren, zu besie-
gen, lehrt ihn gerade seine Kunst; die Allegorie ist mindestens unter-
geordnet, der Ausdruck eines Gedankens als Gedanke, alles Abstracte
ist ihm verschlossen; wenigstens wird er, wie er sich auch anstrengen
mag, niemals über die körperliche Form hinauskoizimen. Das volle,
scharfe Erscheinungsleben des Raumes ist sein Reich und wahrlich ein
so weites Reich, dass er sich nicht in andere zu verirren braucht.
Freilich kann der Maler nicht jede Erscheinungsform brauchen.
Er soll ein Kunstwerk liefern. Es wird für dieses also Geschlossenheit,
Harmonie verlangt. S0 darf er nur das zum Vorwurfe nehmen, was in
sich ein Ganzes bildet, was der Ausdruck einer ansprechenden und
abgeschlossenen Idee ist. Es gilt also den Moment zu wählen, welcher.
am trefflichsten und sichersten die ganze Idee ausdrückt. Wenn Jemand
Columbus malen wollte und er wählte eine Scene, welche uns Columbus
zeigt, wie er gegen das Steuer des Schilfes gewandt auf den Weg hinter
sich zu1'ückblickt, so könnte das ein sehr schön gemaltes Schilfsbild
geben, würde aber der Idee eines Columbus keinen Ausdruck geben,
der, wenn rastloser Entdeckungsdrang nun einmal malerisch aus-
gedrückt werden soll, nur vorwärts schauend gebildet werden kann.
Welchen Augenblick der Maler wählen soll, das lässt sich natürlich
nicht angeben; welchen er aber auch wähle, characteristisch, bedeutend
muss er sein. x
Im Allgemeinen gilt der Satz, dass derjenige Moment vor allen
zu wählen sei, welcher uns am besten rückwärts auf das Vergangene
schliessen lässt und mit Nothwendigkeit auf den Ausgang der Handlung
hinweist. Auch der Maler hat uns Anfang und Ende zu zeigen, obwohl