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Allgemeines.
Das Reich des Organischen hat die Bildnerei für die Kunst ge-
wonnen, indem sie das einzelne Schöne darin erfasste und es körperlich
darstellte.
Die Malerei ist nicht mehr auf die Darstellung der Formen des
Organischen, auch nicht auf die Formenschönheit der unorganischen
Natur beschränkt, sondern hat es mit der schönen Darstellung der
Gesammtnatur im Schein zu thun. Das ganze Reich der sichtbaren
Erscheinung wird von ihr für die Kunst erobert. Die mildeste, heiterste
Eroberung, die sich denken lässt. Die Architectur greift das Unorga-
nische gewaltsam an; die Axt, der Hammer zwingen unerbittlich dem
Stoff die erst zu suchende innere und die menschliche Gesetzmassig-
keit auf und machen sie zur tyrannischen Herrscherin über die
Materie. Auch die Plastik zwingt noch mit harter Arbeit den Stoff in
die Formen. Die Malerei arbeitet gleichsam nur mit einem Hauch von
Material, mit der Farbe; weiter geschieht dem Stoffe kein Weh, kein
Zwang: sie behaut ihn nicht, sie verklammert ihn nicht, noch meisselt
sie ihn; mit leichtem Stift gleitet sie über eine Flache, leicht mischt sie
ihre Farbe durcheinander, ihren Schein, den sie so luftig zu behandeln
Weiss, wie die Luft und den Sonnenglanz, die sie damit nachizubilden
versteht.
Hatte die Plastik vor Allem die Idealbildilng eines Einzelnen als
Ziel, so hat die Malerei es mit der Bildung einer Vielheit zu thun,
welche zusammen eine harmonische Einheit geben muss. Ihre Schön-
heit ist darum eine von derjenigen der Plastik verschiedene. Bei dieser
soll jedes Object an sich schön gebildet werden; sie kann aus harmo-
nischen Einzelheiten in der Gruppe, im Relief eine umfassendere Har-
monie zusammen klingen lassen, kann aber kaum die Disharmonien des
Hässlichen dabei benutzen, ohne ins Malerische zu verfallen, oder