Volltext: Populäre Aesthetik

Plastik. 
Moderne 
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zahlungen von Myron's Kuh lehren, dass man die Idealbildung der 
Thiere nicht so missverstanden hat, als 0b man Geschöpfe schaffen 
müsste, wie sie der Künstler nur im Traum sehen kann. Die Natur 
erhöhen, das Edelste daraus ergreifen und festhalten, heisst idealisiren; 
mit einem Aendern der Natur nach der Phantasie ist nichts gethan; es 
können nur Wappenthiere dabei herauskommen, keine Werke der 
hohen, schönen Plastik.   
Was die Portraitbildung in der Plastik betrifft, so gilt dafür, dass 
jeder  das Schöne und Bedeutende des Vorbildes hervor- 
zuheben habe. Hinsichtlich der genauen Nachbildung ist das über den 
Stil Gesagte zu berücksichtigen. Wie der Bildner nicht jedes Haar 
nachahmen kann, so braucht er auch nicht jedes Faltchen oder 
Fleckchen nachzubilden, namentlich nicht solche Unregelnlässigkeiten, 
die an und für sich gar nichts besagen. Doch muss hier der Künstler 
selbst die genaue Linie zu ziehen wissen. Wann er kleinlich wird und 
ein blosser Nachahmer, statt künstlerisch nachzubilden, lässt sich nicht 
naher bezeichnen. Wenn unplastische Gestalten gebildet werden sollen, 
wenn Trachten geradezu dem plastischen Stil widersprechen und doch 
geschaffen werden müssen, so lässt sich nichts Anderes sagen, als dass 
kein schönes Werk dabei herauskommen kann, oder dass der Künstler 
sein Bestes thun muss, um das Werk so plastisch und schön zu machen, 
als es möglich ist. Wer mit gebundenen Füssen tanzen will, mag es 
thun; wer es, so gebunden, am besten kann, dem wird man Beifall 
geben. Dass er nie so schön wird tanzen können, als wenn er die 
Gliedmaassen frei hatte, versteht sich. Ob die Noth dazu zwingt, dem 
Geschmacke zu folgen, ist dabei für die Kunst ganz gleichgültig. 
Uebrigens würde auch hier Kühnheit der Künstler, bedeutender, 
gesuchter Künstler, die sich nicht dreinreden liessen und sich nicht 
um den augenblicklichen Strom der allgemeinen Meinung kümmerten, 
manchen Nutzen stiften können; freilich auch grossen Schaden, wenn 
geistlose Nachtreter, wie bei Michelangelo, nun in der übertreibenden, 
seelenlosen Nachahmung stecken bleiben. Ich will hier in Bezug auf 
freie Auffassung auf das Reiterbild König Ludwigs von Bayern hin- 
weisen. Es handelt sich hier nicht um eine Beurtheilung desselben; 
aber dass die Idee Ludwigs ausgeführt ist, dass er sich nicht um die 
jetzige gang und gäbe Auffassung dieser Statuen gekümmert hat, ist in 
allgemeiner Berücksichtigung der plastischen Kunst zu loben, wie man 
nun auch über die Wahl von Pagen u. A. denken möge. Man soll nicht 
vergessen, dass die erste beste allgemeine Auffassung nur zu leicht 
trivial iSlZm Um wieder auf den Moses Michelangelds zu verweisen, so 
frage man sich, welche der schönsten gewöhnllcllell Darstellungen von 
Propheten denn so haftet und so anregend ist, und sich so stolz über das 
allgemeine Niveau erhebt als dieser Moses, den Michelangelo plastisch 
in Bezug auf den Körper angeschaut hat. Der Künstler folge seinem
	        
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