wie gut ich auch seine Aeusserungen kenne, nicht wieder erwecken,
während ich eine Melodie stets wieder vor das geistige Ohr zu rufen
vermag. Nur bei Krankheiten, namentlich Nervenstörungen, treten
davon Ausnahmen ein, welche jedoch nicht hieher gehören, wo es sich
um die normalen Thätigkeiten der Sinne handelt.
Alles Empfinden kann nun bezogen werden auf Gefallen oder
Missfallen. Das Gefallende nehmen wir gern an; das Missfallende ist
zuwider. Was den Sinnen in der Empfindung gefällt, ist angenehm.
Davon wird aber das den höheren Sinnen Wohlgefällige abgesondert
und durch den Sprachgebrauch ziusgezeiclnlet; was es hervorruft, heisst
schön. Seinem ursprünglichen Begriff nach bezieht sich schön nur auf
den Sinn des Gesichts, indem es von Schauen oder Scheinen abgeleitet
ist; es ist diese Bezeichnung für das Wohlgefällige des höchsten Sinns,
des (lcsichts, dann aber auch auf (lasjenige des Gehörs ausgedehnt
worden und so nennen wir z. B. auch die Musik schön. Doch hat es
Aesthctiker gegeben, wie hier bemerkt werden mag, welche das Schöne
ausschliesslich dem Schanbaren zuerkennen, und Alles, was wir im
Hörbaren schön zu nennen pflegen, nur als angenehm bezeichnen. Zu
solchen im Gegensatze stehen alle diejenigen, welche, wie namentlich
bei den unteren Volksklassen, besonders im Dialect vielfach geschieht,
auch die Empfindungen der niederen Sinne als schön bezeichnen. Dem
Geruchsinn wird dieser Ausdruck zum öftersten gegeben: "die Rose
riecht schön", aber auch wohl das Essen schmeckt "schön", welche
Bezeichnung nicht selten einen scherzhaften Gradmesser für den Werth
abgeben mag, in welchem die Annelnnlichkeiteil der niederen Sinne
im Verhältniss zu den höheren stehen. Für solchen Geschmack im
eigentlichen Sinne und in Zeiten solchen Geschmacks, die nicht gefehlt
haben, rückt dann natürlich die Kochkunst zur echten, hochgepriesenen
Kunst auf und finden wir sie und ihre Ausüber als ästhetische Grössen.
Es versteht sich, dass zum allgemeinen Wohlgefallen jede Ver-
stimmung irgend eines Sinns ausgeschlossen, dass die Befriedigung der
niederen Sinne von höchster Annehmlichkeit und Wirksamkeit ist und
von grösster allgemein-ästhetischer Bedeutung sein kann, ganz abge-
sehen von der Grundbedingung, dass das animalische Bedürfniss z. B.
des Essens, der nöthigen Warme, der Abwesenheit eines zum Ekel
reizenden Geruchs u. s. w. befriedigt sein muss, um überhaupt von
einem Wohlgefallen reden zu können. Hier gilt nur, dass die niederen
Sinne dem Reiche des Angenehmen, nicht dem Schönen angehören.
Wenn wir nun das Wohlgefallige des Schönen näher prüfen, so
zeigt sich, dass es rein ist, d. h. dass es durch keine Befriedigung
eines Zwecks, einer Nutzerfüllnng für uns hervorgebracht ist. "Nütz-
lich, sagt schon Aristoteles in seiner Rhetorik, 1st vorzüglich das Ein-
trälgliehe; würdig aber das den Schönheitssinn Befriedigende. Ein-
traglich nenne ich das, was einen Ertrag liefert, den Schönheitssinn