Volltext: Populäre Aesthetik

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Bildnerei. 
Die 
Bartes geben Schönheit der Linien und Mannigfaltigkeit, während das 
krause Haar nur ein einheitliches Gewirr, das schlichte nur eine über- 
mässige Einheit gicbt. Das Herrlichste und Grossart-igste der Haar- 
und Bartbildung sehen wir an den Zeusbildern; aufstrebend, dann 
löwenmahnig zu beiden Seiten herniederwallend sind die Haare; in 
herrlichen kräftigen Locken bedeckt der volle Bart das untere Gesicht. 
In der Idealbildung des Menschen sind die Griechen unübertreüilich 
gewesen. Nicht ganz so glücklich waren sie bei der Darstellung der 
Thiere; Wenigstens sind sie darin nicht so unbedingte Muster. Ich will 
hier nur, in keiner Weise das Herrliche vieler dahingehörender Dar- 
stellungen verkennend, an ihre Pferde und Löwen erinnern, weil man 
gerade diese oft nicht genug preisen zu können glaubt. Was ist z. B. 
Alles über die Pferde des Parthenonfrieses gesagt! Sehr schöne Kopf- 
bildungen sind bei den meisten zu linden, aber schlechte Halsung und 
schlechtes Kreuz ebenfalls bei vielen. Die Reliefbildung hat ausserdem 
vielleicht noch den oder die Künstler zu einer übermässig unter den, 
gleichwohl nicht hochbaumenden Körper gezogenen Beinstellung be- 
ewogen. Mochten auch manche der bei den Panatheniien benutzten 
Pferde zu einer Art Tanz abgerichtet sein, so ist die Darstellung dieser 
Tänzelei doch nicht immer glücklich. Der an diesen Pferden studirende 
Künstler soll wohl darunter wühlen und sich z. B. nicht verleiten lassen, 
eine hirschhalsige Iilalstbrm bei einem Pferde schön zu finden oder ein 
Kreuz, wie man an dem Pferde sieht, über dessen Kopf der Jüngling 
seinen Arm gestreckt hat, um den oberen Mähnenkamm aufzustreichen. 
Wohl soll der Bildhauer nicht zu einer idealen Gestalt ein Modepferd 
bilden, aber schön muss das geschaffene Thier stets sein. Wenn er 
übrigens einen Reiter ganz realistisch aus seiner Zeit herausbildet, so 
hat er alsdann auch bei dem Rosse kein Recht willkürlich zu Verfahren. 
So kann ich nicht umhin, bei dem Rauclfschen Standbilde Friedrichs 
des Grossen von diesem Gesichtspunkte aus das Pferd zu tadeln, das 
seiner ganzen Form nach nicht zum alten Fritz passt, sondern modern 
ist. Warum nicht den "Cäsar" oder "Gonde" Friedrichs bilden? 
Warum keinen Stutzschwanz, wenn man Hut und Stock und Stiefel- 
absatz doch getreu nachgemacht hat? Aehnlich wie bei den Pferden 
möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Auffassung der Löwen 
bei den griechischen Künstlern nicht die beste ist. Die Künstler 
scheinen häufig Löwen gebildet, ohne einen gesehen zu haben, wie dies 
ja auch Thorwaldsen mit seinem ersten Löwen begegnet ist. Ihre Fehler 
halt man dann wohl für Stil und ahmt sie nach; und so sehen wir denn 
nicht selten pausbackige, gemähnte Bestien mit seltsamen Pranken, die 
Löwen vorstellen sollen, aber dem wirklichen schönen Löwen nicht im 
entferntesten an Schönheit gleichkommen. Studirt die Natur! heisst 
es da. Die Alten haben es gethau, so gut sie es konnten. Der antike 
Eber in Florenz zeugt davon; dann aber können vor allem die Er-
	        
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