Volltext: Populäre Aesthetik

Hellenische Idealbildxxng. 
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zeigt wenig künstlerischen Tact, der Alles über einen Leisten schlagt 
und da meint, es bleibe sich gleich, ob ein Bild auf einen Handels- 
markt, in einen Garten oder in einen Tempel gestellt werde. 
Das Erhabenste schuf die Plastik, als sie das Göttliche noch fest- 
hielt und es mit dem Menschlich-Schönen zu vereinen strebte. Das 
Schönste hat sie geschaffen, als sie nur die Schönheit im Auge hatte 
und doch noch von den göttlichen Gedanken sich tragen liess. Was 
nun das hellenische Ideal der lilenschengestalt betritft, so brauche ich 
über die Schönheit der Körperbildung nichts zu sagen. Ihre weiblichen 
und männlichen Gestalten sind unübertreiflich. Ein einziger Blick auf 
die Götter, Helden- und Menschengestalten lehrt es uns. Einzelne 
Werke herauszugreifen und sie in dieser Beziehung zu preisen, ist nicht 
nöthig. Die Kraft und Geschmeidigkeit, die Würde und Anmuth dieser 
Bildungen ist doch nicht mit Worten zu beschreiben. Nur über die 
Idealbildung des Gesichts wenige Worte. Die griechischen Bildner 
liessen die Stirnlinie ohne merklichen Absatz in die gerade Nase über- 
gehen. Schwelleride Lippen und ein kräftiges Kinn belebten das Unter- 
gesiclit. Die Augenbogen wurden stark ausgebildet. Der Kopf wurde 
eher klein als gross gehalten; lockiges Haar bedeckte den Scheitel. 
Diese Idealbildung kommt hauptsächlich dem Marmor zu. Und zwar 
ist sie eine bewusste künstlerische Gestaltung, indem die Portraitstatuen 
uns zeigen, dass dieses allgemein sogenannte griechische Profil nicht so 
häufig bei den Griechen war, als man auf die Betrachtung der Kunst- 
 werke hin meinen könnte. Was das Hinübergleiten der Linien von 
Nase und Stirn betrifft, so hat Hegel fein bemerkt, dass dadurch 
gleichsam das Mittelgesicht in die gedankenvolle Stirn hineingezogen 
werde. Die griechischen Künstler scheuten das Zerreissen des Ober- 
gesichts und des Mittelgesichts namentlich bei der Marmorarbeit. 
Indem sie das Auge tief legten, um durch Schatten eine kräftige 
Wirkung zu erzielen, mussten sie schon darum den Steg dazwischen 
hoch und kräftig, auch den Nasenrücken gleichsam architectonisch 
behandeln. Andererseits wäre aber auch jeder Zusammenhang der 
Stirn und der Wangenparthien zerrissen, wenn dieser Steg Wegiiele; 
die Brücke fehlt, wo eine tiefe Einsenkung zwischen Stirn und Nase 
scheidet und nun die Augenbrauen gar noch zusammentreten. Die 
Weiteren Feinheiten des griechischen Proüls erklären sich von selbst; 
nur was die Kleinheit des Kopfes betrifft, ist noch zu bemerken, dass 
zu einer heiteren Idealgestaltung kein grosser, schwerer Kopf passt, 
dass dieser namentlich einen nackten Körper belasten würde. Die Stirn 
Sßhllfe-n die Griechen nicht übermässig gross, sondern eher klein, weil 
sie bei den meisten jugendlichen Gestalten voll göttlicher Klarheit und 
Heiterkeit nicht die ausgearbeitete Stirn des Sorgens und Denkens 
gebrauchen konnten und doch ihnen auch mit einer grossen, breiten, 
unbelebten Flache nicht gedient war. Die Locken des Haares 'und
	        
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