Volltext: Populäre Aesthetik

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Bildnerei. 
Die 
frei aus der Fläche herairstritt, Anderes wieder streng an sie gebunden 
ist, ist nicht zu billigen. Wir finden wohl Verschmelzungen, bei denen 
es schwer ist zu unterscheiden, wohin ein Bildwerk zu rechnen. Im 
Gegensatz zu dem Ganymed von Thorwaldsen will ich an das Erzbild- 
werk von Leochares erinnern. Es stellt den mit dem emporgehobenen 
Ganymed aufschwebenden Adler vor, als Freisculptur behandelt, obwohl 
die Benutzung des Baumstamrnes auf dem Werke das Ganze doch eigent- 
lich nur zu einem Relief macht. Die Kühnheit und Geschicklichkeit 
wiegt darin über die Schönheit vor; aber die grosse Schönheit lässt 
doch vergessen, dass mehr die Lust, Schwierigkeiten zu überwinden, 
als Stilgefühl die Wahl des Gegenstandes in solcher Stellung geleitet 
hat. Keinenfalls aber ist den Künstlern, namentlich den schwächeren 
nicht, eine solche Verschmelzung anzurathen, vielmehr sollen sie darauf 
achten, die Stile rein zu halten, nicht sie zu Vermischen. 
Wir haben die Stärke und die Schwäche der Bildnerei kennen 
gelernt; wir wollen noch auf die aus der Letzteren sich ergebende 
Nöthigung, sich mit symbolischen Andeutungen zu begnügen, aufmerk- 
sam machen. Die Gestalt wird, für sich behandelt, gleichsam aus allem 
Zusammenhange mit Anderem herausgerissen. Erinnern wir uns an 
das über die Vegetation Gesagte. Der Bildner kann sie nicht nachbilden 
oder doch nur Einzelnes und Kleinliches daraus. Aber nun soll eine 
Figur als ein Jäger characterisirt "werden. Oder ein Meergott ist dar- 
zustellen, oder ein Flussgott. Wie dies schildern? Wald, Meer, Fluss 
kann der Bildhauer nicht bringen, er kann nichts als darauf hindeuten. 
Ein Baumstamm, ein Jagdspeer, ein Jagdhund oder ein Stück Wild 
müssen den Jäger bezeichnen. Der Dreizack ist das Werkzeug des 
Meerfischers, er wird dem Meergott gegeben. Beim Flusse ist das 
Strömen des Wassers-das Characteristische. Das Schilf seiner Ufer 
und ein strömendes Wasser, aus einer umgestürzten Wasserurne 
fliessend, veranschaulicht also den Flussgott. So muss ein Hirtenstab, 
eine Hirtenflöte den Hirten, ein Palmenzweig den Sieger kennzeichnen. 
Aehnlich weist ein Ruder sicher auf Wasser, Helm und Schwert auf 
kriegerische Thätigkeit hin. Zu solchen allgemein verständlichen Bei- 
gaben kommen nun symbolische Hülfen, die aus dem Geistesleben des 
Volkes,ldem der Künstler angehört, genommen sind. -Ein Kreuz er- 
innert an Christus; ein Schlüssel an Petrus; die Religionsgeschichte 
tritt hier erklärend ein. Ein Adler, der Blitz wiesen auf Zeus; Juno 
hatte den Pfau neben sich; der Nachtvogel, die Eule begleitete Pallas, 
die Beschützerin der Gelehrsamkeit. Mythe, Glaubenslehre übernimmt 
in solchen Fällen den Dienst des Erklärens. In ähnlicher Weise nimmt 
der Bildner nun überhaupt aus jeder Thätigkeit oder Gewohnheit etwas 
Oharacteristisches oder wenn möglich das Characteristische, um sein 
Werk genau als das zu kennzeichnen, was es bedeuten soll. Natürlich 
1st dies häufig schwer, oft unmöglich, wenigstens für spätere Erklärer.
	        
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