Anklagen
gegen
Schi
das
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und
Aesthetik.
die
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Wir sind bei räuschuldigungen und Entschuldigungen. S0 wollen
wir noch eine Anklage berücksichtigen, die sehr häufig gegen die
Aesthetiker erhoben wird.
„Odi profanum vulgus" liebt der Philosoph zu sagen, der seit
Platon nie vergisst, dass er die eigentliche Quintessenz des Menschen-
gesehlcchts ist und die Masse verachtet, die sich über seine Unver-
ständliehkeit oder überhaupt über ihn beklagt. Aber es ist kein
profanum vulgus, welches der Aesthetik häufig verwirft, dass sie nicht
leistet, was sie zu leisten habe. sind oft Männer, die sich so gut
Priester nennen, wie die Philosophen und zwar die echten Priester
des Schönen die Künstler.
Jahrtausende lang so grollen wohl die Künstler haben wir
das Schöne geschaffen und gepflegt. Endlich fallt es der Wissenschaft
ein, sich auch damit zu beschäftigen. Was ist das Resultat? Statt
uns aufzuklären, macht man uns eonfus; statt uns fortzuhelfen, hemmt
man uns.
Der Vorxrurf ist nicht ganz ungerecht. Zurückzuweisen ist er
freilich in soweit, als ob die Aesthetik unmittelbar zu lehren hätte,
wie das Schöne zu erschaffen sei. Sie hat in das Wesen des Schönen
einzudringen und es deutlich zu machen. Weiter geht ihre Aufgabe
an und für sich nicht. Allein dass dies häufiger in einer verständ-
licheren Weise geschehen könnte, ist nicht zu läugnen. Es ist noch
immer zu viel Znnftkram in den philosophischen Wissenschaften, der
sie dem Unzünftigen unerquicklich macht und erschwert. Eine bedeu-
tende Besserung ist freilich auch darin eingetreten. Dem Moloch der
Zunftgelehrsamkeit wird weniger geopfert. Künstler und Wissen-
schaftler arbeiten sich mehr und mehr in die Hände.
Die bedeutendsten Einflüsse sind durch Männer ausgeübt worden,
die nicht eigentliche Fach-Aesthetiker waren. Ich nenne Winkelmann,
Mengs, Lessing, Herder, Göthe, Schiller, Humboldt, Rumohr. Der
Fingerzeig für die Aesthetiker ist deutlich genug.