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Die Bildncrei.
schöne Einzelheiten besonders hervorheben, wie z. B. den Rücken,
steht aber der frei entfalteten nach. Ueberschneidungen durch die vor
den Körper gelegten Arme, eng übereinandergelegte Beine sind darum
ebenfalls nicht stilvoll plastisch zu nennen. Nur ein Wechsel des
Nackten und der Gewandung, wie bei der Amazone des Kresilas, lässt
ohne Weiteres Ausnahmen zu; sonst wird der Plastiker im Allgemeinen
die Arme so vom Körper abgezogen zu bilden haben, dass sie nicht
Gesicht und Rumpf verdecken und dadurch gleichsam Schönheiten un-
terdrücken. Auch die Erschwerung der Anschaulichkeit durch solche
überkreuzte Theile wirkt hier ein, wie leicht zuersehen. Die Me-
diceische Venus (Seite 260) ist auch in dieser Beziehung unbekümmert
-um den strengen plastischen Stil gebildet, wobei freilich Nacktheit und
Scham eine Motivirung gegeben haben. Aber selbst beim Relief, das
doch vielfach unter andere Gesichtspunkte fallt, ist der angegebenen
Forderung so viel wie möglich zu genügen. Die Alten haben dieselbe
durch eine Drehung des Körpers und die Haltung der Arme zu erfüllen
verstanden.
Ausser in der Reliefbildung stellt der plastische Künstler sein
Werk mehr oder weniger frei in den Raum. Es entspringt aus einer
völligen Freibildung, die. von allen Seiten eine schöne Gestalt zeigen
will, eine der grössten Schwierigkeiten der. statuarischen Bildnereiu
Wenn sie eine solche Einzelgestalt schafft, so scheint sie unendlich
hinter der Malerei zurückzustehen, welche die mannigfachsten und ver-
schiedensten Dinge componirt und alle geistig ergreifen muss, um sie
schön wiederzugeben. Der Bildner arbeitet etwa nur eine Gestalt, zu
welcher er noch Vorbilder nimmt und wobei er sich durch Messungen
helfen kann. Aber die Malerei giebt ihre Vielheit nur unter einem Ge-
sichtspunkte; der Bildner giebt einen Gegenstand unter vielen Gesichts-
punkten. Dort Vielheit in der Einheit, hier Einheit in der Vielheit.
Beides ist gleich schwer.
Wir können schon hier darauf hinweisen, wie das plastische Werk,
das Gebilde der Kunst, nicht in unmittelbare Verbindung mit dem
Unorganischen der Natur gesetzt werden darf. _Verlangte die Baukunst
schon ein Mittelglied zwischen Boden und Bauwerk im Fundament, so
verlangt um so mehr die Bildung des Organischen eine Vermittelung
mit dem Unorganischen. Man denke an eine unmittelbar auf die Erde
gestellte Statue. Der steinerne Mensch, der wie ein lebendiger auf der
Erde steht, wird widernatürlich erscheinen. Schon durch ihre Stand-
weise muss die Statue als ein Kunstwerk bezeichnet werden. Dies ge-
schieht durch das Postament, welches sie vom Boden abhebt.
Am besten bietet sich dazu das architectonisch behandelte Unor-
ganische dar, das zwischen Boden und Bildwerk geschoben eine treff-
liche Trennung resp. Vermittelung und Steigerung giebt. Absolut noth-
wendig ist freilich die architectonische Behandlung nicht. Peter des