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Methoden.
Fall erst berichtigt und leitet auf dem Wege der Abßifaßfiml
gesucht und schon aus der Möglichkeit der sinnlich vernünftigen Natur
gefolgert werden können; mit einem Wort: die Schönheit müsste sich
als eine nothwendige Bedingung der Menschheit aufzeigen lassen."
Aber brauchen wir die Erfahrungals Richtcrstuhl zu verwerfen?
Beruht nicht vielmehr diexganze Anklage auf ein?" Verwechselung von
Ursache und Wirkung? Y enn ein begabtes Vol auf einen gewissen
Höhepunkt seiner Kraft und Bildung gekommen und vor dem Kampf
mit der Noth gesicheiä iät, so wird es über den blosscn Nutzen hinaps
sich dem Schönen un essen Pflege in der Kunst zuwenden. Je lne ll'
es sich der Mnsse ergiebt und der Bequemlichkeit und Müssigkeit
fröhnt, desto mehr wird es in seinen strengen Anforderungen nach-
lassen und sich der Weichlichkcit und Ueppigkeit ergeben. Wie in
Allem" wird sich das auch in seiner Kunst zeigen. Ueberdruss wird
die Folge sein. Der Ucberdruss aber soll dann durch starke Reizmittel
vertrieben werden. So wird die Kunst zuerst weich oder schmelzend,
dann aber nach allen Richtungen hin outrirt. Kurz, die Kunst wird
durch das Volk verdorben und sinkt zur Künstelei und auch wohl zu
einer Dienerin der Lüste herab. Ihr Verfall ist nur Wirkung; wohl
wird diese Wirkung wieder zur Ursache, indem jedes schlechte Kunst-
werk wieder verschlechtern kann. Aber wenn wir denn anklagen
wollen, so müssen wir die Anklage gegen den sinkenden Volksgeist
richten, der sich nicht auf der Höhe der edlen Kunst zu halten vermag.
Man könnte auch ebensogut das Wahre und Gute anklagen, dass sie
zu schwach oder zu trage seien, sich zu widersetzen und die Aus-
schweifungen eines missleiteten Schönheitssinnes zu verhindern.
Die Anschuldigungen gegen die Kunst sind mit der gegen den
Apfelbaum im Paradiese zu vergleichen: WVäre kein Apfelbaum im
Paradiese gewesen, so hatte Eva nicht in den Apfel beissen können
und die ganze Menschheit wäre noch im Zustand der ersten Unschuld.
Darum nieder mit den Apfelbäumen!
Das eigentlich Verkehrte aber bei allen solchen Vorwürfen ent-
springt aus der Verkennung des die Welt beherrschenden Gesetzes des
Wechsels. Leben ist ein Wechsel von Wachsen, Blühen, Reifen und
Absterben. Der Mensch lebt; auch die Völker leben und ihre Werke
mit ihnen, wenn es auch nicht nöthig ist, dass sie wie der einzelne
Mensch nach einmaligem Wechsel unrettbar dahinsterben.
Gestaltung, Umgestaltung ,
Das ewigen Sinnes ewige Unterhaltung. (Faust II.)
Pas Gedeihen der Kunst zeigt eine Blüthezeit des Volkslebens au,
{S13 aber ebensowenig Ursache seines Verfalls, als die Schönheit Schuld
1st, dßsä 61116 Dame hässlicher wird, wenn das Alter seine Spuren auf
das Antlitz drückt.