Farbige Behandlung.
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für den Marmor. So z. B. ein "Isegrimm" York, der „alte Blücher",
dann überhaupt harte männliche Formen, gegenüber der weicheren und
der weiblichen Schönheit, für welche Marmor unübertrefflich ist.
Dass die Thierbildung so gerne das Erz benutzt, ist, von der
Stützkraft des Erzes abgesehen, auch aus dem Schalenformigen des
Thierfelles zu erklären, das die meisten Thierformen zu umhüllen und
abzuschliessen pflegt. Der Marmor sieht dagen nackt aus und so passt
er weniger für die Fellträger, wohl aber ausgezeichnet für die helle,
nicht in jener Weise verdeckende Haut des Menschen.
Die edlen Steine sind zu klein; auch ihre allzugrosse Durchsichtig-
keit wirkt störend. Manche Steinarten sind wegen ihrer Härte schwer
zu bearbeiten; manche haben ungleiche Zusammensetzungen; andere
verwittern zu leicht, einige springen beim Schlage oder bröckeln;
wieder andere haben zu lichtraubende Farbe. Der Marmor gestattet
die feinste Behandlung; hat er eine helle weissliche oder gelbliche
Farbe, so eignet er sich vor allen andern, sonst ihm an Härte, Dauer-
haftigkeit u. dgl. gleichzusetzenden Steinen für die Nachbildung des
Menschen. Die besten "Marmor-Sorten zeigen einen milden, schwach
gelblichen Ton; durch das krystallinische Gefüge entsteht eine Aehnlich-
keit mit der porösen Haut, durch die schwache Durchsichtigkeit der
Eindruck, als ob das Innere hindurchleuchte, so dass man ein leben-
diges Hervorströmen zur ausseren Form wahrzunehmen glaubt. Diese
Durchsichtigkeit darf allerdings nicht zu stark sein, ist auch nicht an
allen Körpertheilchen oder allen Körpern gleich angebracht. Die zarte
Hand einer Frau und die Hand eines Athleten, das Antlitz eines Mad-
chens und eines greisen Kriegers sind unterschiedlich zu behandeln.
Die Griechen haben durch Einlassen von Wachs übermassige oder
unpassende Durchsichtigkeit zu verhindern gewusst.
Wir können hier gleich die Frage wegen der Bemalung von Mar-
morstatuen anschliessen. Bekanntlich hat man sehr lange Zeit jede
Bemalung derselben verworfen und sich dabei stets auf die feinfühligen,
geschmackvollen Griechen berufen, die den Realismus der Farbe ver-
werfen und dem Idealismus in dem reinen unschuldigen Weiss des
Marmors für die Bildnerei. gehuldigt hätten, während sich jetzt heraus-
gestellt hat, dass sie sehr häufig Bemalung angewandt haben, ja die
Streitfrage geht, 0b sie nicht vielleicht in den besten Zeiten der Sculptur
alle Bildwerke bemalt haben. Suchen wir so ruhig als möglich uns
in diesem Streite zurecht zu finden. Die Bildnerei will die Form ihres
Objectes geben. Um sich dabei nicht zu schaden, hat sie auf die Farbe
ihres Materials zu achten. Einen Kaucasier in schwarzem Marmor und
einen Neger in carrarischem Marmor gebildet zu sehen, verstösst gegen
unsere Anschauung. Solche Widersprüche sind also zu vermeiden,
welche nichts nützen aber viel schaden. Der Bildhauer nimmt daher
gerne ein Material, welches im Allgemeinen auch in der Farbe dem