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Bildnerei.
Die
schränkt sich meistens auf Einzelheiten, wenn sie die Vegetation in ihr
Bereich zieht. Sie nimmt einen Zweig; sie bildet einen Kranz; sie
nimmt überhaupt wohl einen Schmuck daher; andere Bildungen, wie
z. B. ein Baumstamm, fallen gewöhnlich unter andere Gesichtspunkte,
von denen gleich die Rede sein wird.
Man hat von dem "Können" der Bildnerei absehend, aus der Ab-
geschlossenheit, welche die Plastik zeigen soll, das Wegfallen der Vege-
tation erklärt. Schnaase sagt in seinem herrlichen Werke, Geschichte
der bildenden Künste;
„Es giebt ein sehr äusserliches und grobes Kennzeichen, welche
Formen des Lebens zum künstlerischen Zwecke der Sculptur fähig sind.
Nur die Gestalten, die sich vom Boden ablösen. Ein Baum hängt noth-
wendig mit dem Boden zusammen und durch diesen mit dem Weltkörper.
Ihn allein darstellen heisst also etwas Todtes bilden. Nur das Thier ist
daher darstellbar für die Sculptur, ja sogar zunächst nur der Mensch,
als das einzig geistig Lebendige, und die edleren Thiere gewisser-
maassen symbolisch durch eine gleichnissartige Uebertragung mensch-
licher Bedeutung auf sie."
Der Mensch und die höheren Thiere fallen in das Gebiet der
Plastik. Ihre Körperformen sind bestimmt, mit dem Unorganischen
nicht zu verwechseln; sie sind Ausdruck einer lebendig sich zeigenden
Kraft, eines freigewordenen Lebens, Ausdruck einer Beseelung. Ihre
Formen haben darum die Macht, den unorganischen Stoff, in dem sie
nachgebildet werden, zu beleben.
Die Schönheit dieser freien Gestalten erschliesst sich dem Menschen
und befähigt ihn zum bildenden Künstler. Vielleicht beginnt dieses
Gestalten mit einer rohen Nachbildung, in welcher ja die Natur selbst
zu spielen scheint mit Wolken, Felsen, Tropfsteinen, Baumbildungen.
Es war-d bildend gestaltet, ehe die Tochter des Dibutades den Schatten-
riss des Geliebten an der Wand zeichnete und ihr Vater, der Töpfer,
denselben mit Thon ausfüllte. So hat die Liebe nach der Sage das
Relief erfunden, aber zum plastischen Bilden überhaupt hat sie schwer-
lieh zuerst die Hand geführt. Welch ein wunderbarer Weg ist es ge-
wesen von der Bildung, die densonderbaren Baumstumpf im Scherze
noch menschenähnlicher gestaltete, die etwa die Thonkugel im Spiele
roh formte, die an dem weichen Stein eine grobe Kopfform herausschlug,
bis ein solches Spiel als Arbeit anerkannt wurde, bis die Erkenntniss
der Schönheit vollkommen durchbrach und die herrlichsten Gestalten
aus dem todten Gestein gelöset wurden, der Thon die Form für die
Erzbildung gab. Aus rohen Andeutungen der Nachbildung löste sich
schöner und schöner die Gestalt heraus. Der Blick dafür wuchs und
die Technik wuchs, freilich nur bei den auserwählten Völkern. Es giebt
Individuen wie Völker, die niemals über die rohsten Andeutungen bei
ihren Versuchen, bildnerisch zu gestalten, hinauskommen und deren