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Methoden.
fallen zu lassen, Eine ltletaphjisik oder eine Religion des Schönen
muss also den Anfang machen. Diese Methode war in der jüngsten
Epoche der Aesthetik die gebräuchlichste und gilt auch noch bei Vielen
als die einzig echt-philosophische.
Wir werden sie hier nicht befolgen. Und zwar aus dem folgenden
Grund nicht. Unsere höchsten Ideen sind gebildet aus einer Summe
von Anschauungen und Begriffen, die wir als Stoff besitzen müssen,
um durch die _Kraft unseres Geistes daraus die höheren Ideen und
die höchste Idee zu bilden. Die höchste Idee ist ein Ergebniss
eine Errungenschaft unseres zu ihrer Erkenntiiiss befähigten Geistes.
Sie ist für ihn nicht der Ausgangspunkt, sondern das Ziel. Wir
drehen uns also nur im Kreise, wenn wir von dieser höchsten Idee
aus die Welt der Erscheinungen durchmessen, sobald wir beweisen
sollen, dass jene Idee nun wirklich die höchste und richtig erfasste ist.
Wir müssen alsdann nämlich die Erscheinungen und niederen Begriffe
zurück durchwandern, um bei jener Spitze wieder anzukommen. Diese
Methode empfiehlt sich daher nur, wo eine Schule besteht, in der die
Ausgangssatze als fest bewiesen angenommen werden, wenngleich ihre
Richtigkeit nicht im Augenblick in die Augen springt. So stellt z. B.
die Hegelsche Schule die absolute Idee als den Urquell auf; so sagen
Theologen und thcosophische Aesthetiker: Gott ist die Schönheit.
Da wir hier nun aber keine Schule haben, worin man auf die
Worte des Meisters schwört, sondern wir besclieideiitlich das Gebiet
der Aestlietik durchwanderii wollen, ohne uns gleich zu Anfang durch
den Streit über die wahre höchste Idee, über Metaphysik, Deismus,
Theismus, Pantheismus, Materialismus, Nihilismus u. s. w. hindurch-
zuschlagen lauter schwierige und verwickelte Fragen, wie man
nach der Erbitterung und Dauer des Kampfes wohl zu eben wird
so wollen wir lieber diese zweite Methode bei Seite liegen lassen und
einen Weg betreten, der einen weniger stolzen Ausgangspunkt nimmt,
dafür aber etwas sicherer erscheint. Wen er unphilosophischer.dünkt,
der mag mit Aristoteles darüber rechten, dasscr von den Erschei-
nungen zu den Ideen aufzusteigen gelehrt hat und mag sich immerhin
mit Platon in der Welt als in einer Höhle betrachten, in der man nur
die Schatten der wahren Dinge, das ist der Ideen, nicht aber die
wahren Dinge selbst, gewahrt.
Indem wir nicht mit der Lehre von den höchsten Ideen oder der
höchsten Idee beginnen, sondern uns einfach an die Erscheinungen
lfaltenä vermeiden wir uocli eine andere Streitfrage. Und zwar die
uber die Berechtigung der Aesthetik tiberhaupt, soweit sie nicht eine
blosse Ideenlehre ist. Wir haben es (lann mit keinem „Abfall von der
Iflee" zu thull, um das Vorhandensein der wirklichen IRIelt, in der
1110m Alles schön ist, zu erklären. Wir brauchen uns nicht um die
8611011 Oben angeführte und oft wiederholte Behauptung Platos zu