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Die Baukunst.
brauchten, genöthigt, den Seitenschub z. B. des höheren Mittelschiffs
auf massivere Stützen, etwa auf die Umfassungsmauern abzuleiten. Die
Mauern trugen nun nicht mehr überall, sondern nur jene Hanptstützen;
man fand es deshalb Verschwendung von Material, alle Mauertheile
gleich stark zu lmaeheil und gebrauchte die Mauer nun mehr und
mehr als Füllung zwischen jenen Stützgliedern, den Pfeilern. Auch die
Wölbung suchte man zu erleichtern; waren die Hauptbogen kräftig ge-
nug 'c0nstrnirt,-s0 konnte man die dazwischen liegenden Zwickel eben-
falls als Füllungen behandeln; die Wölbungsrippeii, auch äusserlich
gegen jene Füllungen hervortretend, gliederten in ihren Durchkreuzun-
gen die Wölbungen in mannigfaltigster Weise. Durch diese Art der
Wölbung, WO jeder Pfeiler mit den zwei Pfeilern in gleicher Linie der-
selben Seite und den drei gegenüberstehenden verbunden war, kam nun
der höchst gesteigerte Ausdruck der Verbindung, Ueberleitung und
Zusammengehörigkeit in die Gliederung. Gegen die Ruhe der flachen
Bedeckung trat die höchste Bewegung ein.
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Romanisches Gewölbsystem.
In den schärfsten Ausbildungen des romanischen und des gothi-
sehen Stils wurde diese Bewegung nun häufig bis zur Unruhe gesteigert.
Ohne uns in den heftigen Streit hinsichtlich der Ausschliessliehkeit ode1'
des Vorrangs des griechischen, römischen oder des romanischen und
gothischen Stils einzulassen, verweisen wir nur betreffs des lilaass-
haltens in den letzteren Stilen darauf, dass für die Architectur im Aus-
druck des ruhigen Beharrens eine Grundbedingung des ästhetischen