Volltext: Populäre Aesthetik

Gliederung. 
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gewichts hier aber nicht wieder näher auseinandergesetzt zu werden 
braucht. 
Bei einer grossen Breitenausdehnung wird ein besonderes einheit- 
liches Zusammenfassen des Ganzen erwünscht, welches geschieht durch 
eine beherrschende Erhöhung des Hauptbaus, für welche das Zusam- 
menfassen in eine Spitze (Giebel, Thurm) oder eine Kuppel sich besonders 
ausdrucksvoll zeigt. Wie Mittelbau, Seitenbauten, Flügel wieder in sich 
gegliedert werden können, ist hier nicht näher zu erörtern. Die streng 
geordneten Formen. der Palastbauten des letzten Jahrhunderts geben 
die schärfste Anschauung solcher Gliederungen  von deren Schönheit 
oder Unschönheit ganz abgesehen. 
Wir sehen z. B. bei der Fronte des Escurials (Fig.12.), deren Mitte, als 
Ganzes betrachtet, die dahinterliegende Kirche mit Thürmen und Kuppel 
noch besonders auszeichnet, das Mittelgebäude durch Höhe, Giebel, Säu- 
len u. s. W. hervorgehoben und in sich gegliedert. Die Seitenflügel 
sind wegen ihrer Breite wieder durch den, in sich gegliederten Giebel- 
hau gegliedert; die Eckthürme bilden neue Gliederung und mächtigen 
Abschluss. Das Vertreten der Haupttheile unterbricht die ungeheure 
Ansdehnungslinie. (Dies Beispiel kalter Ordnung verwechsle man nicht 
mit einem Muster.) 
Aehnlich mit einer ausgedehnten Seitenansicht. Entweder wird 
diese als eine Front für sich behandelt oder ein anderes Princip kommt 
zur Geltung, nämlich das des ästhetischen Gleichgewichts, wie wir es 
-in seinemhöchsten Ausdrucke beim Kirchcnbau des gothischen Domes 
sehen. Erinnern wir uns an das vom vierfüssigen Thier Gesagte. 
Nehmen wir die Analogie des schönen Pferdes, wo Kopf, Hals und 
Vordertheil in der Seitenansicht dem Rümpfe das Gegengewicht zu 
leisten haben. Das gleiche Princip finden wir im Thurmdonie befolgt, 
wo der Thurmvorbau des Langhauses die Analogie von dem Vorder- 
körper des schönen Thieres giebt, der Langbau der Kirche dem eigent- 
liehen Rümpfe vergleichbar ist. Die Höhe des Thurmes und die Länge 
der Kirche wird bei diesen erhebenden Bauten ziemlich gleichgesetzt. 
Wo die Seitenansicht durch keine Front bei Langbauten zur Geltung 
gebracht wird, da hat man jenes Gleichgewichtsgesetz so viel als mög- 
lich zu befolgen, wenn es auch selbstverständlich nicht immer einen so 
vollen Ausdruck finden kann, wie herrliche Kirehenbauten es zeigen. 
Wir werden bei der Betrachtung der verschiedenen Baustile darauf 
zurückkommen und sehen, wie man dieses Gesetz bald nicht gekannt 
oder vernachlässigt, bald es übertrieben hat. In manchen romanischen 
Bauten ist es outrirt, indem man das Werk durch Thurmbauten vorn 
und hinten beleben wollte, dadurch aber das Vorn und Hinten aufhob, 
ohne dass man doch aus der Seitenansicht den Eindruck einer Fronte 
zu entwickeln wusste. Entweder Beherrschung durch einen mächtigen 
Mittelbati, wie ihn z. B. die byzantinische Kuppel giebt, oder Beherr-
	        
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