Gliederung.
295
gewichts hier aber nicht wieder näher auseinandergesetzt zu werden
braucht.
Bei einer grossen Breitenausdehnung wird ein besonderes einheit-
liches Zusammenfassen des Ganzen erwünscht, welches geschieht durch
eine beherrschende Erhöhung des Hauptbaus, für welche das Zusam-
menfassen in eine Spitze (Giebel, Thurm) oder eine Kuppel sich besonders
ausdrucksvoll zeigt. Wie Mittelbau, Seitenbauten, Flügel wieder in sich
gegliedert werden können, ist hier nicht näher zu erörtern. Die streng
geordneten Formen. der Palastbauten des letzten Jahrhunderts geben
die schärfste Anschauung solcher Gliederungen von deren Schönheit
oder Unschönheit ganz abgesehen.
Wir sehen z. B. bei der Fronte des Escurials (Fig.12.), deren Mitte, als
Ganzes betrachtet, die dahinterliegende Kirche mit Thürmen und Kuppel
noch besonders auszeichnet, das Mittelgebäude durch Höhe, Giebel, Säu-
len u. s. W. hervorgehoben und in sich gegliedert. Die Seitenflügel
sind wegen ihrer Breite wieder durch den, in sich gegliederten Giebel-
hau gegliedert; die Eckthürme bilden neue Gliederung und mächtigen
Abschluss. Das Vertreten der Haupttheile unterbricht die ungeheure
Ansdehnungslinie. (Dies Beispiel kalter Ordnung verwechsle man nicht
mit einem Muster.)
Aehnlich mit einer ausgedehnten Seitenansicht. Entweder wird
diese als eine Front für sich behandelt oder ein anderes Princip kommt
zur Geltung, nämlich das des ästhetischen Gleichgewichts, wie wir es
-in seinemhöchsten Ausdrucke beim Kirchcnbau des gothischen Domes
sehen. Erinnern wir uns an das vom vierfüssigen Thier Gesagte.
Nehmen wir die Analogie des schönen Pferdes, wo Kopf, Hals und
Vordertheil in der Seitenansicht dem Rümpfe das Gegengewicht zu
leisten haben. Das gleiche Princip finden wir im Thurmdonie befolgt,
wo der Thurmvorbau des Langhauses die Analogie von dem Vorder-
körper des schönen Thieres giebt, der Langbau der Kirche dem eigent-
liehen Rümpfe vergleichbar ist. Die Höhe des Thurmes und die Länge
der Kirche wird bei diesen erhebenden Bauten ziemlich gleichgesetzt.
Wo die Seitenansicht durch keine Front bei Langbauten zur Geltung
gebracht wird, da hat man jenes Gleichgewichtsgesetz so viel als mög-
lich zu befolgen, wenn es auch selbstverständlich nicht immer einen so
vollen Ausdruck finden kann, wie herrliche Kirehenbauten es zeigen.
Wir werden bei der Betrachtung der verschiedenen Baustile darauf
zurückkommen und sehen, wie man dieses Gesetz bald nicht gekannt
oder vernachlässigt, bald es übertrieben hat. In manchen romanischen
Bauten ist es outrirt, indem man das Werk durch Thurmbauten vorn
und hinten beleben wollte, dadurch aber das Vorn und Hinten aufhob,
ohne dass man doch aus der Seitenansicht den Eindruck einer Fronte
zu entwickeln wusste. Entweder Beherrschung durch einen mächtigen
Mittelbati, wie ihn z. B. die byzantinische Kuppel giebt, oder Beherr-