Gliederung.
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der Forderung dieses Wechsels ist genügt. Weiter kann ich nun die
Länge gliedern, indem ich z. B. durch Pilaster dieselbe unterbreche.
Regelmässigkeit ist dabei überall gefordert, dann Schönheit der Ver-
hältnisse untereinander, das ist schöne Proportion. Auch die Symmetrie
kann herangezogen werden. Von dem Ganzen wird nun verlangt, dass
es den statischen Anforderungen durchaus genüge. Man kann noch
weiter die Einzelheiten verfolgen, z. B. in der Ordnung der Steine.
Die ganz gleiche Uebereinanderschichtung würde doch zu einförmig
erscheinen. So lässt man nicht gern Fuge auf Fuge fallen, wenn auch
keine anderen technischen Gründe dabei in Betracht kämen. Dann
wechselt man auch wohl in der Grösse der Bausteine, nimmt z. B. in
eine Schicht längere, in die andere kürzere Steine u. s. w., wobei jedoch
die möglichste Strenge walten muss. Man sieht schon nach solchen
Andeutungen, welch eine Menge von {ästhetischen Anforderungen bei
diesem einfachsten Bau in Anwendung kommen können, obwohl von
einer eigentlichen decorativcn Behandlung noch ganz abgesehen wurde.
Construiren wir ein einfaches Haus. Wir nehmen vier ringsum
schützende Wände mit einem Dach. Die Feuchtigkeit der Erde wird
es zweckdienlich machen, den Boden des Hausgcmaehes über die Fläche
der Erde zu erhöhen. Ebenso werden die unteren Lagen der Wände
zweckmässiger Weise stärker sein als die oberen, weil sie die grösste
Last zu tragen haben. Dabei wird das ästhetische Princip der Har-
monie sich geltend machen. Der Bau steht auf der Erde. Wo diese
aus Fclsenmassen besteht, werden grössere Steinquadern eine ausge-
zeichnete Ueberleitnng von dem Boden zu dem gebauten Hause bilden."
Ihre Massigkeit erinnert an den gewachsenen Fcls. Selbst eine rauhe
Bearbeitung kann hier erwünscht sein; eine sehr sorgsame Glättung
(lieser Grundsteine giebt keine rechte Vermittelung, wenn nicht auch
der Boden um das Haus in den Bereich der künstlerischen Thätigkeit
gezogen und bearbeitet oder durch Platten u. dewrl. geziert wird._ So
verlangt der Nutzen wie der Schönheitssinn ein sitdhtbares Fundament.
Das Wesen seiner Schönheit ist Festigkeit und Vcrmittelung mit dem
Baugrund nicht etwa Zierlichkeit. Auf diesem Fundament erhebt
sich nun der Hausbau. Bauen ist eine künstlerische Thätigkeit; die
Wand soll nicht mehr aussehen, als ob die Natur sie her-richtet. Sta-
tische und mathematische Gesetze sind nicht blos anzudeuten, sondern
strenge einzuhalten. Denn die Kunstschönheit der unorganischen Natur
besteht darin, dass die in ihr liegende Gesetzmässigkeit zum Ausdruck
gebracht und vollständig entwickelt werde. Auf die demgemäss errichte-
ten Wände kommt das Dach. Wir haben damit eine Dreigliederung nach
der Höhe in Fundament, Wand und Dach. Die Lehre von den" Pro-
portionen tritt hier nun wieder in Kraft. Es muss ein Wohlverhältniss
Zwischen den drei Theilen gesucht werden. Nach dem früher Gesagten
wird eine Hervorhebung dieser einzelnen Glieder den einfachsten und
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