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Wahre
Das Schöne ,
Gute.
und
in vielen geistigen Beziehungen naehstanden. Sie wurden aufgerüttelt,
ihre Kräfte waren in Anspruch genßmlllell, ihre Blicke CIWVCÜCIT
worden. Neues war gelernt, neue Wege waren geöffnet, einer andern
Welt sah man sich gegenüber, die zur Vergleichung, zum Nachdenken,
zur Kritik des Eignen herausforderte. Mit den Kreuzzügen hat die
neue Epoche begonnen.
In dem sonnigen Südfrankreich, auf jenem Boden, wo grie-
chischer Geist von Massilia aus gewaltet hatte und Jahrhunderte über
Christi Geburt hinaus noch bemerkbar gewesen war, bei den Pro-
venealen regte sich zuerst jener neue Geist, der einer versehöncrten
Sinnenwelt und freieren Gedanken kühn wieder huldigte. In den
Albigenser-Schläehtereien hat ihn die Kirche dann allerdings bis auf
den heutigen Tag wieder zu ersticken gewusst. Aber hier, die Trou-
badours singen die neue Zeit ein, gefolgt von den übrigen Sängern der
ritterlichen Poesie. Der gothische Stil, das Aufblühen der See- und
Ilandelsstädte zeigen ferner den neuen Geist, der nun aber, was das
wichtigste war, in Italien zur nachhaltigen Entwicklung gelangte.
Dante's und Petrarca's Namen mögen dafür stehen. So war das ästhe-
tische Element neben dem ethischen wieder zur Geltung gekommen.
Zur völligen Entfaltung der ganzen Geistesthatigkeit bedurfte es aber
noch der Erkräftigung des dritten Princips. Der schwache philo-
sophische Sinn des Jahrhunderts musste sich nach einer Hülfe umsehen.
Wunderbarer Wechsel! Man belebte den alten, vom Ohristenthume
erstickten antiken Geist und gesellte ihn sich zum Bundesgenossen.
Die Philosophie des Heidenthums trat in die Schranken; der völlig
erstarkte ästhetische Trieb machte sich kräftig von den Fesseln der
Kirche los; beide ltämpften vereint, um das Vorwiegen des ethischen
Princips aufzuheben. Wir sehen wieder die bekannten Folgen. Das
Zusammentreffen des Schönen, Wahren und Guten giebt eine Blüthe-
zeit in dem Volksleben, das jene Bestrebungen vereinte. Das Cinque-
cento zeigt uns in Italien Kunst und Wissenschaft auf hoher Stufe,
zugleich noch eine höchst bedeutende ethische Kraft, wofür wir nur
auf die vielen im Wollen so bedeutenden, mächtigen Charaetere jener
Tage hinzuweisen brauchen. Aber das entfesselte Sinnenleben gewann
die Oberhand, zumal als dem Streben des Geistes nach Wahrheit und
Verbesserung in der Kirche ein Damm gesetzt wurde. Frivolität riss
nun ein. Die Lust verschwand; die Lüste herrschten. Darum auch
in der Kunst bald Verfall. Das Geistesleben stockte; die Erde durfte
sich ja nicht um die Sonne bewegen, weil die Priester es nicht wollten.
De? freie Sinn, der die Bürger der italienischen Republiken beseelt
hatte, 91', der Vater der Kunst und des Wissens, erstarb; das Volks-
leben nun auch schnell und schneller zerrüttet, kraftlos und hohl.
Gegen den Zerfall in der Religion, gegen dieses Treiben sich
selbst verniehtender Sinnlichkeit, der die heiligsten Interessen (lienen