Volltext: Populäre Aesthetik

Die 
einfachsten 
Formen. 
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Scher Beschafenheit (Gebirg und Thal, Material, Witterung u. s. w. 
wirken verändernd ein) hat ziemlich dieselben Bedürfnisse und Rück- 
sichten. Diese zeigen sich in der Anlage seiner Gebäude, Eintheilung 
von Wohnung, Stall, Scheuer u. s. w, Es stellt sich nicht blos für den 
Aussenbau, sondern auch für den Inncnbail ein gemeinsamer Stil heraus. 
In dieserWeise bildet gleicher Zweck überhaupt gleichen Stil, wie früher 
gezeigt worden, und wie wir sogleich des Näheren sehen werden. Die 
Einwirkung des Materials kommt hinzu. Nehmen wir die ersten Ge- 
staltungen des Nutzbaus: , 
Das Bedürfniss, sich eine Schutzstätte zu schaffen, ist dem Men- 
schen so angeboren wie den Thieren. Es bedarf kaum der Bemerkung, 
dass der Mensch nicht, wie wohl behauptet worden, von Vögeln oder 
von dem Dachs oder Biber gelernt hat, sich eine Wohnstätte zu berei- 
ten. Sein eigener Instinct lehrte ihn, sich in einer Höhle zu bergen 
und dieselbe nach Umständen zu erweitern, sich Zweige zusammenzu- 
tragen, Holz und Steine aufzusehichten. Hat er sich unter dichtem 
Gebüsch geborgen und regnete es doch hindurch, so hat er nicht erst 
vom Vogel gelernt, Halme her-beizubringen, sondern er hat aus eigener 
Klugheit schon Gebüsch, Rinde, Gras u. drgl. noch darüber gebreitet; 
er hat das Loch in einer Höhle verstopft, den Eingang derselben vor 
dem Winde geschützt. Dass dies die Anfänge gewesen sind, steht 
nicht zu bezweifeln. Dann hat der Mensch Felle anzuwenden gelernt, 
hat das Flechten und das Gewebe erfunden, hat Axt, Hammer, Säge 
gebraucht und sich das härtere Material des Steines und der Waldungen 
bequemer zugerichtet, wenn er sich seine bcrgende Stätte baute. 
Uebergehen wir die ersten Zeiten, die stammelnden Jahre der 
Menschheit, möchte man sagen, wo sie noch an der Brust der Natur 
lag, noch zu ihr gehörig und durchaus abhängig, wie der Säugling. 
Sehen wir sie in ihren Kinderjahren. Wo sie geboren ist, wissen wir 
bekanntlich nicht; aber wo und wie sie erzogen ist, vermögen wir viel- 
fach zu erkennen. Wenn wir sie dabei beobachten, so werden wir 
finden, dass, wie im Einzelleben des Menschen die Eindrücke der Kind- 
heit das ganze Leben nicht verwischen kann, so die Völker in Jahrtau- 
senden der Civilisation die Eindrücke ihrer Kindheit nicht verlieren. 
Beginnen wir mit dem Nomaden, der in wald- und gebirgslosen 
Steppen mit seinen Heerden wandert. Er kann mit dem zahlreichen 
Vieh, dessen er zu seiner Nahrung bedürftig ist, nicht jeden Abend 
oder doch nicht Wochen oder Monate lang an einen Platz zurückkehren, 
den er sich zu einer festen Wohnung hergerichtet hätte. Er ist gezwun- 
gen mit den Heerden zu wandern. Schutz aber gebraucht er gegen die 
Kälte der Nacht oder sonstige Unbill der Witterung. Will er nun nicht 
jeden Abend sich wie ein Dachs in die Erde hineingraben, was übrigens 
nicht aller Orten möglich wäre, so muss er sein Haus mit sich führen. 
Felle der Thiere oder Matten aus Rohr und Gräsern bieten sich ihm
	        
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