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Der
Schn-xuck.
Die
technischen
sogenannten
Künste.
alter hindurch finden wir meistens eine passende Vereinigung: enges
Wamms, enge Beinkleider und ein weiter Mantel. Daneben freilich auch
die unnatürlichsten Moden. Vielfach begegnen wir Gewändern, die
die ganze menschliche Figur verstecken, bis auf Kopf und Hand; alles
Uebrige ist mehr oder weniger willkürlich verhüllt. Im Ganzen muss
man unserer heutigen männlichen Tracht, um nur dieser Erwähnung
zu thun, die grösste Stillosigkeit vorwerfen. Statt die Körperformen
hervortreten zu lassen, indem z. B. die Arme, der Nacken, das Unter-
bein entblösst getragen, oder mit anschliessendem Stoffe bedeckt wer-
den, oder die Bekleidung nach ihrem eigenen Gesetze zu behandeln,
ist eine Hülsenform beliebt, die weder das Eine noch das Andere recht,
sondern beides schlecht erfüllt. Der Stoff kann sich nur im alten
Mantel nach seinem freien Wurf der Falten entwickeln; in Rock, Frack,
Weste, Beinkleid ist er durch Schnitt, durch Nathe, Wülste u. dgl. in
Formen gezwängt, die eine Carieatur des schönlinigen menschlichen
Körpers sind. Die Natur des Stoffes kommt dabei so wenig wie mög-
lich in Betracht. Ein Beinkleid von Leinewand, Baumwolle, Wolle
zeigt denselben Schnitt; selbst die ganz ledernen Hosen der Reiterei
sind zugeschnitten wie die Leinwandhosen, das Beinwerk zu Elephanten-
saulen gestaltend. Was die Tracht betrifft, so muss der Kopf frei
umschauen können; der Hals muss also Freiheit haben, sich bewegen
und drehen zu können. Einseitigkeit und Verbohrtheit ist der Cha-
racter der Zeit, die Hals und Kopf versteift. Es liegt ein peinlicher
Zwang darin ausgedrückt; der Mensch wird gbichsam einzig auf die
eine ihm vorliegende Arbeit hingedrüekt; er hat nicht links, nicht
rechts zu sehen, sondern zu thun, wozu er gestossen oder angetrieben,
was ihm vorgelegt wird. Steife Halsbinde ist darum subaltern-bureau-
kratisch, Dressur-soldatenmä.ssig-; sie steht nicht einmal dem Werk-
zeug, viel weniger dem Vorgesetzten, der Umsicht haben soll. Die hohe
Kravatte, mit steifen Vatermördern obendrein, schalft jedem Kopf
gleichsam einen Stall, in dem er eingepfercht ist. Desgleichen müssen
Arme und Beine frei zur Arbeit und zur Fortbewegung sich regen kön-
nen. Eine in dieser Hinsicht hinderliche Tracht ist Unsinn und deutet
auf Faulheit und Verkommenheit der Stande hin, die sich ihrer bedie-
nen. Natürlich gilt dies auch von der Bekleidung des Fusses. Wir
lassen hierbei die Moden ganz ausser Acht. Auf deren Verrücktheiten,
Schnabelschuhe oder Barenklauen zu tragen, weil irgend ein Fürst
dergleichen Ungethüme trug, um seine verkrüppelten Füsse zu ver-
stecken, können wir hier nicht eingehen. Pressungen des Körpers sind
demselben schädlich; jede presscnde Tracht ist darum dem einfachsten.
Menschenverstande gemäss zu verwerfen. Dass anliegend und pressend
zweierlei Dinge sind, versteht sich. Pressende Kleidung verräth auch
sonstigen Zwang; sie ist ein Ausdruck der Steifheit und muss wie-
der Steifheit erzeugen. In ähnlicher Weise kann man aus einer Ge-