Volltext: Populäre Aesthetik

Harmonie 
und 
Kampf dieser 
Ideen. 
xlter. 
Mittßli 
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Von nun an sehen wir das ästhetische Element mit allen Kräften 
sieh wieder einporkämpfcn. Die Volkskräfte waren nicht mehr zu 
halten; der aussehliesslichen religiösen Geleise überdrüssig, fühlten sie 
sich der Vormundschaft und dein Zwang der Kirche entivachsen. Sie 
wollten nicht mehr unter deren Rnthe und Zucht stehen, sondern frei 
empfinden, fröhlich wieder gcnicsstzn; im politischen und socialen 
Leben gleichfalls neue Anläufe. Auch der Drang nach freier lürkennt- 
niss begann sich wieder zu regen, aber er W2ll' zu schwer (lanieder- 
geworfen, die Last, die über ihm gehäuft lag, die Sehrecknisse, die 
ihm entgegenstanden, zu gross, die tödtexide Wuth des Glaubens noch 
zu furchtbar, auch die geistige Kraft in dieser Beziehung zu gebrochen 
und versehroben, als dass man hätte über die Anfange hinüberkonnnen 
können. Das Dogma blieb der (wlrund für die Seholastilt. Das Holz 
war diirr, das auf solchem BOtiGII emporsehoss. Wohl bewegte man 
sich wieder in philosophischen Formen, aber der Geist der Wahrheit 
fehlte, um den verzwiekteil und nur zu oft abstrusen Wortkram zu 
beleben. Das philosophische Ziel war nicht Wahrheit an sich, sondern 
XYalu-heit des aufgestellten Dogmas, Richtigkeit des Glaubens. Hierin 
war die Kirche unerbittlich und fest; die ästhetische Welt hatte sie 
selber wieder entfesseln helfen, als sie die Kunst aufbot, die Religion 
z11 schmücken, aber das Forschen nach der iVahi-heit (lurch die 
geistige Kraft des ltfensehen allein, mit Ausschluss der sogenannten 
Offenbarung, stempelte sie noeh auf Jahrhunderte zum Verbrechen. 
das den Tod vertiiente. 
Interessant ist zu beobachten, wie der ganze. Umschwung ein- 
geleitet war. Einst hatte das Abendland die Einbusse seines ästhe- 
tischen Lebens durch das lilorgenland erlitten. Jetzt hatte dieses unter 
dem Panier des Muhamedanismus sich aus der Kraftlosigkeit aufgerafft, 
in welche versunken es seit Alexander dem Grossen lag. Die ver- 
achteten Horden Arabiens und Syrieus hatten Westasien und Nord- 
africa erobert und selbst im Süden Europas festen Fuss gefasst. 
Sieger des Sehwerts durch die Kraft und Ueberzeugung des Glaubens 
zeigten sie bald auch ihre Kraft auf dem Gebiet der Wissenschaft und 
Kunst. Sinnenfreude und Schärfe des Verstandes wirkten vereint, 
um das stolze politische Leben des Islam zu verschönern und zu 
vertiefen. Der so sehr zum Phantastisehen sich hinneigende, nrirk- 
liehe Thatsaehen aber eben so häufig mit der grössten Scharfe er- 
greifende orientalische Geist zeigte sieh in seiner schönsten Entfaltung. 
Mit diesem so veränderten (lrient traf das Abendland in den 
Kreuzziigen zusammen. Die Kirche hatte geglaubt den höchsten 
Triumph zu feiern, als sie ihre im Glauben willenlos unterworfenen 
Sehaaren aussandte, die Bekenner des Islam aus dem heiligen Lande 
zu treiben. Sie ahnte nicht, dass sie sieh selber das Verderben bereite. 
Die Völker des Oeeidents lernten von den Muhametlanem, denen Sie
	        
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