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Der Schmuck.
sogenannten
Die
technischen
Künste.
Flachs und in geringerem Grade die Seide frisch anzufühlen, sondern
besitzt grosse specifische Wärme, die sich zum Theil aus der schuppig-
ten Textur der Wollhaare und dem dadurch bewirkten Hautreize er-
klärt . Eine der köstlichsten Eigenschaften der Wolle ist ferner ihre
Empfänglichkeit für färbende Stoffe und die tiefe Sättigung durch Far-
ben, deren sie fähig ist. Vermöge der veloutirten und doch zugleich
natürlich glänzenden Oberfläche der Wolle, die immer etwas organisch
Durchscheinendes behält, welches weder dem Flachs, noch der Baum-
wolle, noch selbst der Seide eigen ist, erscheint selbst die dunkelste
Tinctur, womit sie gefärbt ist, noch immer als Farbe, nicht als unbe-
stimmtes Schwarz, und nicht minder günstig ist sie für die Aufnahme
heller und leuchtender Farben. Diese erscheinen niemals opak und
gleichsam aufgesetzt, wie bei der Baumwolle, sondern transparent und
identificirt mit dem Steife, der durch sie gänzlich durchdrungen ist.
Wir sollen diese herrlichen Eigenschaften der Wolle in vollem Maass
ausbeuten, aber dabei jenen Stil beobachten, den noch jetzt die Orien-
talen, die Inder, Perser und Araber, selbst die Türken befolgen, ob-
schon sich darin sicher nur eine schwache Reminiscenz an die unendlich
überlegene Technik der Alten kuudgiebt. Ein positives Gesetz des
Stiles in Beziehung auf Coloration der wollenen, buntfarbigen Stoffe,
welches den Gegensatz gegen das Colorationsgesetz der linuenen (und
obschon minder entschieden auch gegen das der baumwollenen) Steife
bildet, scheint aus der Vergleichung der besten orientalischen poly-
chromen Wollenstoffe gefolgert werden zu dürfen, nämlich dass dem
warmen Charactei- und dem vollen Faltenwurfe der Wolle entsprechend
auch das pelychrome System, welches für ein beliebiges Muster in
diesem Stoff gewählt wird, in der Regel ein positives, warmes sein
müsse, dass es inQgesättigten, vollen und gehaltenen Farbentönen sich
zu bewegen habe. "
Das Oharactcristischc der Seide ist der Glanz, der an Metallglanz
erinnert. Der Atlas ist "heiss", wie Wolfram von Eschenbach ihn nennt.
Er "gestattet die feurigste und lebhafteste Färbung und den grellsten
Contrast in der Nebenstellung anderer Farbentöne. Denn das reflectirte
Licht, welches von der metallahuliehen Oberliäche dieses Stoffes zurück-
geworfen wird, erscheint als weiss, wogegen die Tiefen der scharf eon-
tourirten eckigen Falten stets dunkel, beinahe schwarz sind, gerade wie
dies bei dem Metall der Fall ist, somit tritt ein mildernder Dreiklang
hervor, da die Localfarbe stets von Weiss und Schwarz so zu sagen
in die Mitte genommen wird. Zugleich spiegelt der Atlas die neben--
gestellten Farben unter allen Stoffen am lebhaftesten und entschiedensten
zurück, so dass durch den Reflex so zu sagen eine Brücke gebaut wird,
die den schroffsten F arbenabstand vermittelt. Hieraus folgert sich aber
nothwendig als Regel, ihm nur solche Farben zu juxtaponiren, die mit
der Farbe des Atlas im Reflexe vermischt und verschmolzen keine un-