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bei der Verarbeitung dieses StolTes alles vermeiden, welches den vorhin
erwähnten köstlichen Eigenschaften desselben entgegen ist, oder auch
nur sie minder wirksam und dem Auge bemerkbar hervortreten lässt,
vielmehr soll man, wo es angeht, in der Behandlungsweise nach Mitteln
suchen, die genannten Eigenschaften entweder factisch oder auch nur
dem sinnlichen Eindrücke nach zu unterstützen. S0 soll man die rauhen
Oberllächen der Linnenzeuge vermeiden, weil gekörnte oder faserigte
Oberflächen das angenehme Gefühl der Frische, Welches dem Leinen-
Zeug eigen ist, Stören, Weil zugleich die Eigenschaft der Nichtempfäng-
lichkeit des Linnens gegen Schmutz und färbende Steife dadurch zum
Theil aufgehoben wird. Der kühlen glatten Obcitläche soll zugleich
ein kühles Princip der Färbung entsprechen; man soll daher das milde
Weiss des gebleichtem Flachses, welches die kühlste unter allen Farben
ist, vorherrschend benützen, in allen Fallen, wenigstens in denen, wo
die Frische des Zeuges der anderen Eigenschaft desselben (nämlich
seiner geringen Empfänglichkeit, den Staub und den Schmutz aufzuneh-
men) voranzustellen ist. Wo aber Rücksichtnahme auf letztere Eigen-
schaft vorgeschrieben ist (wie z. B. bei gröberen Gewändern, Tisch-
bekleidungen, Arbeitskitteln u. (lrgL), dort soll man dem Stoffe seine
Naturfarbe lassen oder ihn nach einem Systeme der Polychromie färben,
wobei die negativen (kalten) Farben die vorherrschenden sind; denn
diese werden den Eindruck der Kühle am besten wiedergeben und bieten
sich auch für die Flachsfärberei am bequemsten dar. Zu allen Zeiten
war das Blau (Indigo) die beliebteste Farbe tiir Linnenzeuge, das sich
auch an einigen noch erhaltenen sehr _alten ägyptischen Linnentüchern
findet. Was immer für Farben man für Linnen anwenden will, sie
müssen stets einen Stich in das Kalte erhalten. So z. B. ist das reine
Orangegelb und sind alle heissen Töne, die auf die Farbenscala jenseit
des Kirschroth fallen, auf Linnen kaum statthaft, es sei denn, dass sie
durch Beimischung von Blau gebrochen werden .
Von der Baumwolle sagt Semper, dass sie zugleich dem Flachse
und der Wolle verwandt ist, aber die Eigenschaften beider gewisser-
maassen nur nachätft. Sie liesse daher die mannigfachsten Behand-
lungsweisen zu. Die Tugend der Baumwolle liege in der Mattheit der
Oberfläche.
Die Wolle nennt er, selbst die Seide nicht ausgenommen, den
schönsten Faserstoff. Sie sei daher auch (lerjenige, dessen Stil der
reichste und satteste. „Das feine gekräuselte Haar der Schaafe giebt
.ein weiches lockeres Gewebe, das als schlechtester Wärmeleiter vor-
züglich geeignet ist, sowohl in der Kälte die innere Wärme zurück-, wie
in der Hitze die äussere abzuhalten. Dabei ist das speeiüsche Gewicht
der Wolle geringer als das jedes anderen Faser-steifes (nämlich nur
1,260), wodurch die aus ihm gewonnenen Zeuge noch ausserdem den
Vorzug grosser Leichtigkeit gewinnen. Die Wolle ist nicht wie der
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