Kunstgewerbc.
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klatsch eines Veilchens, ohne dasselbe durch Betonung der mathema-
tischen Grundform dem Material des Gefasses anzupassen, kurz die
nackte Natürlichkeit zeugt ebenfalls nicht von Feinheit des Geschmacks.
Doch müssen wir uns hier mit solchen Hindeutungen begnügen und das
Einzelne dem Einzelnen überlassen.
Aber der Gefässbildner kann ja nach anderen Principien arbeiten.
Gesetzt er betrachtet sein Material als ein durchaus durch ihn zu Ver-
nichtendes, er nahme sich vor, höhere Bildungen darin zu wiederholen.
Wenn er z. B. eine Menschenform für das Wassergefass wählte? Der
menschliche Rumpf würde dem Krugrnmpf gleichgesetzt. Hals und
Kopf würden dessen Ilailpt; die Arme würden die Henkel; die Beine
und Füsse dienten zum Fusse. Man sieht ein, dass hier ein Widersinn
entstande; nur etwas Komisches oder ein Hässliehes könnte dabei her-
auskommen. Denn der Kopf ist ilicht zum Schöpfen, der Mund nicht
zum Ausfliessen in Brüssel sich vom "Manneken" das Vorbild zu
holen, dazu ist man nicht überall "vlämisch" genug der Bauch ist
keine Tonne, die Beine und Füsse sind zum Gehen; kurz ein Wider-
sinniges spränge daraus hervor.
Achnlich die 'l'hierformen. Doch würden hier sich weit mehr
Anknüpfungspunkte finden. Das Komische würde mehr den Gharacter
des Unsinnigen verlieren. Wenn wir hierbei die Beschränkung auf ein
Thongebilde fallen lassen wollen und ganz im Allgemeinen auf solche
Gefiisse der Nachbildung sehen, so würde z. B. für ein hohes Guss-
gefäss als komisches Vorbild der Pinguin sich eignen. Der weitbauehige,
aufrechtstehende, kurz- und breitfüssige Wasservogel wäre kein übles
Motiv für ein Wassergefass. Der Vogelsehnabel ist ein trefflicher Aus-
guss; die Flügelstumpfen des Pinguins böten sich von selbst zu
Henkeln. Für eine flache Schale liesse sich ähnlich die Schildkröte
verwenden. Die kurzen Füssc, die Rundungen des Thieres würden
passen. Die Rückenschale diente zum Deckel, Kopf und Hals und
Schwanz zum Henkel.
Aber der Gefässbildner hätte auch im günstigsten Falle kein Rein-
Schönes erschaffen. Eine höhere Form wäre degradirt, um den Dienst
des Unorganischcn zu leisten. Anders, wenn der Künstler nur durch
Andeutungen, die er dem Höheren entlehnt, sein Werk erhöht.
Wenn der Künstler die schönen Formen der Vegetatation benutzt,
so kann er ein Schönes darstellen, ohne komischen Beigeschmack.
Hier bieten sich ihm saftige, strotzende Früchte, dann Blumen-
kelche u. dcrgl. Die Bewegungslosigkeit, das Enthalten einer grossen
Quantität Flüssigkeit bei manchen Früchten, z. B. bei Melonen, Kür-
bissen, stimmt zum Gefässe, Das Schönste ist aber auch damit nicht
gewonnen. Dieischönste Form findet das Gefäss nur in der mathema-
tischen, auf die es durch den unorganischen Stoff hingewiesen ist.
Kllgelq Ei-, Walzen-, Kegel- und derlei Formen werden am richtigsten