Volltext: Populäre Aesthetik

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Der 
Schmuck. 
Die 
sogenannten 
tcclmnischen 
Künste. 
Man glaube übrigens nicht, dass durch eine grössere Aufmerksam- 
keit auf die niederen Künste nur diese gehoben würden. Eng hängt mit 
ihnen die hohe bildende Kunst zusammen. Die bildende Kunst, der jene 
nicht zur Grundlage dienen, ist immer eine mehr oder minder gemachte; 
sie ist knrzathmig, kurzlebig: sie mag einzelne glänzende Werke aufzu- 
weisen haben, aber ihr fehlt der wahre Träger, der Volksgeist; ihr fehlt 
der Stamm, daraus sie sich recrutirt. Sie gleicht einer Kriegsliotte ohne 
Kauffahrteidotten dahinter. Ein kräftiges, blühendes Handwerk muss 
ihr zur Grundlage dienen; aus der allgemeinen Technik heraus muss sie 
sich bilden. Und dann  sobald sie sich gänzlich von demselben losreisst, 
ist ihre Ueberstürzung sicher, so sicher wie sie durch gänzliche Gebun- 
denheit an das Bedürfniss verkommen muss. Dort verliert sie den Boden 
unter den Füssexi und wird manierirt, übertrieben, schwindelhaft; hier 
wird sie niedergedrückt und von rohen Tritteu in das nüchterne, zäh- 
klebende, trivale Alltagsleben hineingetreten. 
Was andrerseits den Handwerkerstand betrifft, so sind seine 
socialen Bestrebungen gut. S0 lange er aber nur in dieser ausserlichen, 
einseitigen Weise sucht, eine bessere Stellung zu erringen, wird er gleich- 
sam auf abschüssigem Boden stehn und doch immer wieder zurücksinken. 
Er hebe sein Handwerk wieder auf künstlerische Stufe. Dort ist für ihn 
noch die beste Sicherheit gegen Ooncurrenz, soweit es überhaupt Sicher- 
heit giebt, und findet er wieder Selbstgefühl und wahre Sohatfensfreurle. 
Nicht alle Werke des Nutzens eignen sich dazu, durch Schönheit 
geschmückt und veredelt zu werden, aber dass eine tinendlich grössere 
Anwendung des Schönen möglich ist, zeigen uns die Geräthschaften des 
Alterthums und aller in der Kunst besonders ausgezeichneten Zeiten, 
beweisen auch die Völker, bei denen wie z. B. bei den Orientalen Irland- 
werk und Kunst noch nicht gänzlich auseinander-fallen. Grade diejüngste 
Epoche hat sich wohl mit besonderer Vorliebe und gleichsam aufathmend 
den Erzeugnissen des Handwerker- und Kleinkünstlerthums solcher 
Völker zugewandt, bei denen kein Bruch zwischen Nutzen und Schönheit 
stattfindet. 
Es handelt sich in diesem ganzen Kunstgebiet um nichts Anderes, 
als was in der höheren Kunst maassgebend wird. Es gilt die schöne 
Gesetzmässiglzeit des Stoffes in freier Weise auszudrücken und den uns 
innewohnenden Normen, wie sie in den Hauptzügen aufgestellt sind, 
Rechnung zu tragen. Durch diese Vereinigung werden wir ein Wohl- 
gefallen spüren, dass sich bis zu dem tiefen Wohlgefallen des Schönen 
steigern kann. Wo ein Nutzen beabsichtigt ist, muss derselbe erfüllt 
sein, oder der aus Absicht und Erfüllung hervorgehende Widerspruch 
wird kein reines Wohlgefallen aufkommen lassen. 
Ich kann hier natürlich nur Einzelnes herausgreifcn und muss auf 
Semper, dann auf die ausführlichen Werke, z. B. Böttichers über die 
Tektonik der Alten, auf die Berichte über die grossen Ausstellungen und
	        
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