Volltext: Populäre Aesthetik

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Stil. 
Manier. 
brauchen kann. Stilisirt er sie anders, denkt er an einen Löwen, wie 
ihn die Aegypter oder Griechen in Stein gearbeitet haben, oder an den 
Schakal der Hieroglyphen, während er einen Wolf zeichnet, so hat er 
eine unbrauchbare Skizze für alle Darstellungen, die nicht ägyptisch 
gedacht sind. Man sollte denken, dass der Stilbegriif einfach sei; aber 
das Einfachste zeigt sich auch hier wieder in der Ausübung als das 
Schwierigste. Der wahre Stil, der aus der Harmonie des Ausdruckes 
im Wesen des Objectcs und Subjectes  des Gegenstandes, Stoffes, der 
Kunstgesetze, der Idee des Künstlers und dessen Geisteskraft  sich 
zusammensetzt, ist natürlich ein idealischer Begriff. 
Nur einen einzigen Stil-Begriff wollen wir hier noch ins Auge 
fassen. Was ist historischer Stil? Er ist mit dem grossen Stil ziemlich 
identisch, steht dem gewöhnlichen  alltäglichen  und dem klein- 
lichen  zufälligen  Stil gegenüber. Man vergcgenwärtige sich die 
Geschiehtsüberlieferung und Behandlung. Nur das Bedeutende, Grosse, 
besonders Wirksame findet darin eine Stelle, das Kleine, Unbedeutende 
wird vergessen, im Gedachtniss wie in der Aufzeichnung ausgetilgt, 
Memoiren dienen zur Geschichte, sind aber mit ihren Persönlichkeiten, 
Anecdoten u. s. w. keine Geschichte. Wenn die Kunst nun in ähnlicher 
Weise verfahrt und Thatsachen der Geschichte oder die Gegend, wo 
sich etwas ereignet hat, der Art uns verführt, dass keine Geringfügig- 
keit, keine Zufälligkeit, die von keinem Betracht war, nichts Anec- 
dotenhaftes darin vordriingend behandelt ist, sondern der volle Stoff 
in seiner wahren Gewichtigkeit uns vor Augen tritt, so haben wir 
den historischen Stil. Bei einer historischen Landschaft müssen wir 
also die grossen unveränderten Züge einer Gegend sehen, welche auf die 
Tage zurückweisen, deren Erinnerung wir daran knüpfen sollen. Wollte 
man auf einem solchen Bilde etwa eine junge Buchenschonung mit Vor- 
liebe behandeln, oder ein neues Haus hinsetzen, was der jüngsten 
Architecturmode entspricht, so wäre das dem historischen Stil wider- 
sprechend. 
Der Stil kann zur Manier werden. Man versteht darunter gewöhn- 
lich einen unrichtigen, falschen Stil. Der Stil beruht auf der Gesetz- 
mässigkeit. Ein Künstler findet dieselbe nicht, schiebt der wirklichen 
eine getrimmte unter; so hat er eine llrlanier, mag sie nun daraus ent- 
stehen, dass er nicht Heissig genug studirt, oder dass er kein Talent 
hat und beim besten Willen und der sauersten Mühe das Wesenhafte 
nicht zu erfassen vermag. Oder er hat Stil, versteht das Wesenhafte 
zum Ausdruck zu bringen. Allmälig verliert er das Maas dafür, den 
Blick für die Genauigkeit, für die Granzen. Er will immer stärker 
hervorheben, das Wesentliche immer mehr zur Anschauung bringen  
er schiesst über das Ziel hinaus, er übertreibt; sein Stil wird zur Manier. 
Oder der Künstler findet einzelne Gesetzmässigkeiten und beutet diese 
aus, ohne zur harmonischen Umfassung des Ganzen kommen zu können;
	        
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