Harmonie
und
Kampf
dieser
Ideen.
Römerzeit.
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welche ein Demosthenes vergeblich durch die Einsicht in die Gefähr-
lichkeit ihrer Lage aufzumuntern und den entscheidenden Thaten ge-
wachsen zu machen suchte. Unter Alexander dem Grossen dienten
sodann die Griechen dazu, West-Asien der europäischen Kultur zu
gewinnen. Doch zu kurz war ihr Zusammengehn mit dem Maced0-
nischen Stamme unter dem genialen Besieger Asiens, als dass dadurch
der hellenische Charakter sich hatte erneuern, respective verändern
können. Er zeigte sich nicht mehr im Stande, neue Kraft aus den
Siegen lllld dem Verkehr mit andern Völkern zu schöpfen. Sie ver-
suchten CS ill der Philosophie, in welcher immer starker die orienta-
lischen Eintiüsse auftraten, bis dieselbe im Lauf der Jahrhunderte ganz
zum fremdartigen, den antiken Geist verläugnenden Neu-Platonismus,
dem Zwitterding von Hellcnen-, Juden-, Christenthtim und Aberglauben
gestaltet ward. Sonst lebten die Griechen ihr altgewolmtcs Leben fort,
so als Sieger des Orients, wie als Knechte des occideiltalischen Roms.
Kunst und Gclehrtcnthum war ihre Beschäftigung und ihr Vergnügen,
jene wie dieses aber mehr und mehr sinkend. Denn ein gesundes
Volks- und Staatslcbcn ist die unumgänglich nothwendige Grundlage
für das Schöne und Wahre, soll das Höchste darin erreicht oder be-
wahrt werden.
Was Macetionien angestrebt aber nicht vermocht hatte, führte
Rom aus. Die festen, strengen, ethischen Latiner rissen, über die
windigen, Eisthctisirendcn, zcrtahrcnen Griechen hinweg, die Welt-
herrschaft; an sich, durch Tapferkeit und Ausdauer sie gewinnend,
durch Clmractcrfestigkeit und Conscqucnz sie bchauptend. Das Wollen
und das Sollen herrschte und (larauf hatte jetzt Empfindung und
Gedanke sich zu beziehen, ihm hatten sie zu dienen. Der Staat und
die Regel des gesellschaftlichen Lebens, das Recht das ist von
den Römern zuhöchst atlsgeprägt worden, während der Grieche unter
ihm den Lehrer und Erzieher der Menschheit machte. Als die Jahr-
hunderte hindurch andauernde Kraft des römischcn Wesens erschlaffte,
der einst so maehtvolle Strom desselben stockte, da bedurfte es eines
neuen Umschwungs, die europäische Welt vor dem Stagniren zu
bewahren. Eine furchtbare Ielohlheit und Leere herrschte. Die Römer
waren in ethischer Beziehung schlimmer geworden als die Griechen.
Die Faulniss der Cultur Blasirtheit, Unnatur, Glaubens- und Herzens-
leere, Charactcrlosigkeit, Kriecherei und wie die Auswüchse der Oultur
heissen stank zum Himmel, um ein Shaksperesehes Wort zu
gebrauchen. Ein neuer Halt, ein neues Ziel war nothwendig geworden;
die römische Aufgabe war ausgelebt. Und der Umschwung kam. Und
diesmal aus dem Orient, von dem verachteten Volke der Juden. Wohl
hatten Syrien und Aegypten schon ihre Mystik und ihren Aberglauben
leihen müssen, um dem Herzensbedürfniss manchen Römers und
mancher Römerin doch einigen Stoff zu geben, aber die Massen hatten