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Der Künstler.
bar werde, wird dem Arnolfo, dem Baumeister unserer Gemeinde auf-
gegeben, ein Modell oder auch eine Zeichnung für den Neubau der
Kirche der H. Rcparata zu machen, von einer so hohen und erhabenen
(lrossartigkeit, dass nicht Kunst und Gewalt der Menschen sie grösser
oder schöner erdenken könne." .
Schwierig ist die Frage, welchen Antheil der Staat an der Bildung
des Künstlers nehmen solle. Ja, sie lässt sich überhaupt nicht genau
beantworten. Er hemme sie nicht, möchte man sagen, und benutze sie.
Damit genug. Je weniger er unterstützend einzugreifen braucht, desto
besser. Je mehr sich die Kunst ohne ihn, frei aus dem Volksgeiste
heraus, entwickelt, nicht durch ausserordentliche Aufmunteruugen, Pra-
niien und dergleichen künstlich geweckt und erhalten, desto sicherer
und kräftiger ist ihr Gedeihen. Eine frei sich entwickelnde Kirnst
sprosst aus tiefem, ihr zusagendem Erdreich. Erde auf einen Felsen
tragen und dahinein künstlich Blumen pflanzen, die schnell aufschiessen,
sobald sie aber auf den Felsen mit ihren Wurzeln stossen, verdorren,
oder mitsammt ihrer Erdsehicht vom ersten Unwetter wcggcsehvirenunt
werden, das ist nur zu häufig die von Oben herab einem Volke auf-
gedrnngene Kunst. Aber ist der Boden vorhanden, dann auch den
Samen nach Kräften hineinstreuen. Darüber lässt sich aber kein Recept
geben. Der richtige Tact allein ist maassgebend.
Von der 'I'horheit, in der Kunst Unmögliches möglich machen zu
wollen, brauche ich nicht zu sprechen. Acclimatisirrlngsversuche sind
in vielen Dingen gut. Treibhäuser und Menagerien sind ausgezeichnet.
Aber fremde Kunst einem Volke aufzwängen wollen, ist oft gerade
so, als ob man Elephanten in den deutschen Wäldern züchten wollte.
Namentlich vergesse man nicht, bei dem Versuche eine fremde Kunst
heimisch zu machen, dass gewöhnlich das Unkraut am kräftigsten
Wurzeln schlagt und am besten wuchert, während der edle Same häufig
auf ungewohntem Boden nicht aufläuft oder doch nur kranke Pflanzen
hervorzutreiben vermag.
Erzwingen lässt sich die Kunst ilicht. Ist sie todt, so lasst sich
ihr höchstens ein Scheinleben einflösscn. Im besten Falle kann man bei
schwachem Kunstleben durch Anstalten, Sammlungen, Unterstützungen
dafür sorgen, dass das künstlerische Können, die Technik nicht ganz
verloren geht und das Kunstbewnsstsein nicht zu schnell vcrlischt. Ist
der Geist entflohen, soll man die Form wenigstens erhalten:
(Phorkyas zu Faust,
als Hclcna verschwunden ist- und nur
ihm in den Armen geblieben sind:)
Kleid
und
Sch
leier
Halte fest, was Dir von Allem übrig blieb!
Das Kleid, lass es nicht los! Da. zupfen schon
Dämonen an den Zipfeln, möchten gern
Zur Unterwelt es reissen. Halte fest!
Die Gilttin ist's nicht mehr, die Du verlorst,