ahrtuälen, die doch schliesslich kein so genaues Resultat ergeben. Dies
gilt vom Erfinden, wie vom Ausführen. Für jenes hat es den richtig-
sten Tact; es hat die Wünschelruthe, die auf die Stelle hinschlägt, wo
das lebendige Wasser drunter verborgen; es findet dic bewegende, die
grosse Idee, die befruchtend die Dürre tritnken kann; sie rauscht herauf
mit Macht, oft überschwcmmend, wohl schadend, bis sie gefasst ist,
immer schön, nützlich, nothwcndig. In der Ausführung keimt das Genie
nicht die Schwierigkeiten, welche Andere erblicken; es hat keine Binde
vor den Augen, die ihm nur Schritt vor Schritt gestattet; sein Blick ist
hell; so setzt es lächelnd über die kleinen und falschen Ilindernisse,
Schein täuscht es nicht; so gerade wie möglich eilt 'es dem Ziele zu.
Das Genie weiss sogleich, worauf es ankommt und wie es eine Sache
anfassen muss, um sie zum guten Ende zu bringen. Es operirt mit dem
Grundgesetz, das einer ganzen Erscheinungsart zum Grunde liegt; so
schleppt es sich nicht mit Ballast und tausend Mitteln, aus denen es
für jeden Fall eins oder mehrere heraussuchen muss, 0b sie passen; so
bildet es kein Stückwerk, sondern schafft immer etwas Ganzes. Es
bleibt darüber nicht in läleinigkeiten stecken, quält sich nicht in der
Zusannnensetzung des Stückwerks ab; es giebt einen Guss. Es nimmt
den grossen Stoff; mächtiger Enthusiasmus ist das Feuer, darin es ihn
bezwingt, ihn durchglüht; während kleinere Flammen nur herumlecken
und schwarzen oder Stücke abschmelzen, bringt es ihn in Fluss und giesst
ihn in die bestimmten Formen. Es gleicht in seiner Kraft, in seiner Einheit
der Sonne. Des Genielosen Werk ist gleich dem Glanze von vielen Lichtern,
die dem gewöhnlichen Blicke eine Flamme zu sein scheinen, bei näherer
Betrachtung sich aber in die vielen einzelnen Flämmchen auflösen.
Das Genie schafft kein Gesetz. Es kann kein Gesetz schaffen! Es
findet (iasselbe. Wie willkürlich es erscheinen mag, so giebt es doch
nichts, das weniger willkürlich ist. Willkürlichkeit und Wahres Genie
schliesseu einander aus. Es findet das Naturgesetz; darum ist es
(lnrchzius natürlich, darum hat es nichts Verzwicktes, Verkünsteltes; es
wirkt einfach, einfacher als alle anderen, weil es nach einem einheit-
lichen Urgesetz handelt; es braucht die wenigsten Mittel, Weil es stets
die treliflichsten ergreift, es ist ohne Flitter, verliert sich nie in Raffi-
nerie, in Künsteleieu. Es ist ursprünglich, original. Darum ist es aber
auch angeboren und durch keineilrziehung hervorzutreiben. Es kann
auf Thronen geboren werden, -um die Wf-zu erschüttern, aber dann
steht auch seine Wiege wieder in eine Advocatenhause auf einer
rauhen, wilden, verachteten Insel; jetzt wird es einem Patricier oder
dem Alderman eines Landstädtchens geboren, dann ist es ein armer
Zimmermamis- oder Bergmannssohn, oder ein Hirtenkuabe treibt seine
Heerde auf der I-Iaide und wird König und ewiger Dichter, Odßr wird
Künstler, der eine neue Zeit einleitet, oder Papst, der die Ggistgswelt
seiner Kirche hämmert.