Volltext: Populäre Aesthetik

Ihm 
dieser 
Kampf 
Ideen. 
Gricchcnzei 
Werfen wir einen Blick auf die Geschichte der bekanntesten Völker, 
um den Wechsel oder das Zusammentreffen jener Bestrebungen zu ge- 
wahren: zu sehen, wie eine die andere abzulösen pliegt, wie dann aber. 
wenn sie zu einer gewissen Harmonie gelangen, jene Zeiten des Völker- 
lebens erstehen, welche wir die Blüthezeiten, die goldenen Tage 
nennen und nach denen wir Jahrhunderte, Jahrtausende seufzen und 
uns wieder hinanzuriugen suchen. 
Das 5. Jahrhundert und der Anfang des 4a. Jahrhunderts vor 
Christi Geburt sahen eine solche Blüthezeit bei dem hellenischen Volke 
 eine schönere ist noch nicht wieder erlebt worden. Die herrlichstc 
Entfaltung eines der begabtesten Völker zeigt uns alle Kräfte in 
wunderbarer 'I'l1ätigkeit, nach Empfinden und Schönheit, Erkennen und 
Wahrheit, NVollen und Güte und Menschlichkeit. Jene Zeit hat ein 
läapitail geschaffen, von dessen Zinsen wir zum grossen Theile bis auf 
den heutigen Tag leben. In der Kunst ward das Ideal gleichsam 
SVirklichkeit; was jene Zeit künstlerisch berührte, ward zu Gold. Ihre 
Philosophie, ihre Cirltur bilden noch heut Fundamente unseres philo- 
sophischen und ethischen Lebens.  
Damals hat das hellenische Volk jene himmlische Fahrt unter- 
nommen, von der Platon im Phädrus spricht: der Schwung des edlen, 
guten Rosses riss das Fuhriverk zum Himmel empor, so dass die Seelen 
das Haupt bis über dessen Rtnid erhoben und das Göttliche in seinem 
Liehtglanze erblicken konnten. Ewige Formen und ewige Wahrheiten 
sind da erschaut worden. So lange eine Erinnerung an dieses Schauen 
bleibt, kann niemals die Menschheit wieder völlig gegen die thierische, 
dunkle, jenem Himmlischen ent-gegengelztgerte Seite hinabgcdrückt 
werden. Von der Erinnerung erwärmt, lebt ewig in ihr die Sehnsucht, 
lebt die Begierde, wachsen die Flügel, sich dort wieder hinaufzu- 
schwingen.  
Der Verfall jener Blüthezeit begann im ethischen Leben, welches 
von dem ästhetischen 'l'reiben und den sinnlichen Trieben überwuchert 
wurde. Sinnlichkeit erstickte die Sittlichkeit. Alles dachte nur an 
Genuss; die Hoheit der Gedanken, die Wahrheit, das Kernige, Feste 
des ganzen Strebens ging dem Volk in seinem Sieges- und Freuden- 
taumel verloren. Die Empfindungswelt bekam zu sehr das Ueberge- 
wicht; das Streben nach Wahrheit verflüehtigte sich den Gemtithern 
zum Spiel mit dem Schein des Wahren; Sophistik herrschte anstatt 
Philosophie; im ethischen Leben missbrauchte die entfesselte Indivi- 
dualität die schöne, jetzt zum ersten Male errnngene Freiheit nicht 
minder; alle Schranken wurden durchbrochen; Willkür und Laune 
herrschten; die festen Bahnen wurden verlassen; die ernsten hohen 
Ziele schwanden aus den Augen; die nachhaltige machtvolle Energie 
ging verloren. Vergebens war das Bemühen der Einsichtsvollen, 
diesen Durchbruch aller Dämme des geistigen Lebens zu verhindern
	        
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