Volltext: Populäre Aesthetik

Gering sind die itnfänge. Wie schon Thiere an Bewegung, dann 
an ihren Stimmen wohl sich erfreuen, wie manche das Glänzende lieben, 
wie sie sich Schlupfwinkel suchen und erbauen, so der Mensch. Glän- 
zendes, Farbiges, Glitzerndes erfreut ihn; wie der Rabe den goldenen 
Bing in. sein Nest, so trägt er es in seine Hütte. iAber ein unstätes 
Leben lässt ihn hierhin und (lorthin schweifen; so nimmt er seinen 
Schmuck mit sich; mit Federn, hiuseheln, Perlen, mit glänzendem 
Metall, wie mit Farben schmückt er sich, dann die ihn stets begleiten- 
den Waffen; oder er heftet sein lüntzürwken an das Bastkleid oder das 
Fell, womit er seine BiÖSSGll deckt. Die Andenken seiner Siege über 
die gefährlichen Feinde in der Thierwelt oder über den ersehlagenen 
Feind kommen hinzu. Kraft und List ist seine höchste 'l'ugend. Die 
Hauer des Ebers, die Krallen des Bären, die Ilaarbüscheln der Erschla- 
genen, der Schwanz des Fuchses und die Federn der tiüchtigsten Vögel 
müssen sie verkünden. Leidenschaft der Liebe oder des Hasses be- 
gleitet ihn und befeuert sein Thun, seine Gedanken und ihren Aus- 
druck. Die Lyßrik ward aus ihr mit der ersten Sehnsucht der Liebe 
geboren. Die Gluth des Ilerzens lässt die poetische Sprache so natür- 
lich zum Gesang anschwellen, wie den Singvogel seine Stimme zu er- 
heben die Natur treibt. Schallender Klang, das Klappen der Hände. 
das Gedröhn des Schildes, das Sehrillen der Pfeife begleitet früh die 
wilde oder fröhliche Aufregung, die dann die laute Pauke und die Flöte 
und Lyra findet, während das Hüpfen der Jugend zum Reigen und der 
wilde TldlllllpllSpTlllig über den crsehlagenen Feind mit dem Jauehzen 
und dem Schwenken der Waffen zum Kriegstanze wird. Vielleicht ist 
dann schon die feste Wohnung gewählt und Baumstamm und Stein 
sorgsamer bearbeitet. Was ihm gefällt und tragbar ist, schleppt er 
hieher; aber sei es, dass es unmöglich war, dasselbe zu gewinnen, oder 
dass er unstät wandert, Vieles steht vor seinen Blicken, das er nicht 
mit sich führen kann, um sich daran zu erfreuen. Doch seine Phan- 
tasie ist kräftig, sobald sie einen Anknüpfungspunkt hat; ein einziges 
Zeichen, daran sie sich halten kann und der Gegenstand, an den es 
erinnert, scheint ihm lebendig gegenwärtig. Das Kind sieht den Reiter 
auf dem Bosse; die Beine nmschenkeln den Rücken desselben; da über- 
schreitet es eine Gerte und die Gerte ist nun Boss. Seine jugendfrische 
Phantasie hat genug Anhaltspunkte, um aus dem Unscheinbarsten sich 
das Lebendige vorzuzaubern. Wohl mag es dabei nachahmen. Eine 
Kreisform mit zwei Strichen darunter und zwei Strichen seitwärts, die 
sich in mehrere kleinere Striche verzweigen, ist ihm ein Mensch; da 
ist Kopf, sind Beine, Arme, Hände; damit hat es Alles gesagt; es hat 
(ropirt; denn Sprechen und Essen und Gehen und Fassen und Schlagen 
sind ja deutlich ausgedrückt. Aber ein solcher Aufwand von Nach- 
ahmung ist ihm gar nicht nöthig. Es hat von einem König und einer 
Prinzessin gehfgt und nun ist ihm ein glänzender Stein König und eine
	        
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