Volltext: Populäre Aesthetik

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Die 
Völker 
Neuzeit. 
sind. Im ästhetischen Leben waren die Mittel Volksfeste und Turnen. 
In Gesellschaften begann es sich selbst zu leiten und sich auch in 
der Masse als Einheit zu fühlen. In grossen Zusammenkünften der 
verschiedenen Fachmänner, in Sänger, Turn-, jetzt auch in grossen 
Schützenfesten, sodann natürlich in den politischen Bewegungen be- 
kam es Gefühl für freie Ordnung, Achtung vor sich selbst. Das freie 
Wort begann neben dem gedruckten Geltung zu gewinnen, und wenn 
es auch sehr viel in Phrasen sich ergoss, wenn auch gerade in den 
letztvergangenen Jahren im oft gehaltlosen Festtaumel man häufig in's 
hlxtrem fiel, so fand sich doch auch eine tüchtige Beredsaxnkeit, die 
mehr undmehr eine leere Declamation schlägt, und durch Volksver- 
tretung und Schwurgeriehte stets fortgebildet wird. Seitdem hat ein 
falscher Kunstenthusiasmus, der sich hauptsächlich auf Bühnenetfeete 
stürzte, nachgelassen.  Auf das Ringen im Gebiete der Künste kann 
ich hier nicht eingehen und will nur auf die Anstrengungen hinweisen, 
die hier von der Romantik, dort von einer französisch-realistischen 
Schule gemacht worden sind, bis denn jetzt die Hoffnung vorhanden 
ist, dass eine gesunde deutsche Richtung eingeschlagen wird. 
Noch immer lasten auf dem Deutschen die politischen Verhält- 
nisse, noch immer hat er zu viel das eine Auge auf dieses Volk, das 
andere auf jenes gerichtet und will von ihnen weniger lernen als nach- 
machen, was ihm gefüllt. In den meisten Aeusserlichkeiten hat er 
darum wenig eigenthümliches Gepräge, so in Kleidung, Form der Ge- 
rüthe n.  Die Schmähungen, welche Fremde, namentlich Englän- 
der, über Deutschland ergossen haben, sind eine gute bittere Mediein 
für die Deutschen, sich auf sich selbst zu besinnen. Gelingt das jetzt 
begonnene Einheitswerk und es muss gelingen, dann wird für unser 
ganzes ästhetisches Leben eine neue Zeit beginnen. Dann erst werden 
Andere, werden wir selbst erst recht erkennen können, wie viel Gutes, 
wie viel Schönes in der deutschen Nation liegt. Unterdrückt selbst 
zeigte sie sich von hoher Bedeutung. Wie erst, wenn sie in Würde und 
Selbstaehtung anderen Nationen gleich steht! 
Von Statur ist der Deutsche hoch und in seinen meisten Stammen 
kräftig. Die Schönheit des Volks ist namentlich beim Landvolk viel- 
fach durch einen stumpfen und gedrückten Zug verkümmert. Der scharfe 
Schnitt der Lippen und ein festes Kinn, das den Engländer gewöhnlich 
kennzeichnet, fehlt meistens, weil die persönliche lünergie fehlt und sich 
also auch nicht aussprechen kann. Das alte Erbtheil des Muthes hat 
Sich noch immer erhalten. Der deutsche Muth ist weder der französische 
Hahnenmuth, der bis zum letzten Augenblick der Aufregung ficht und 
siegreich noch im Sterben kräht, besiegt aber lauft, noch der englische 
Bulldoggenmuth, der sich fcstbeisst und nicht mehr auslässt; er ist 
Weniger renommistisch als der eine, und weniger blind als der andere. 
Sein Loblied zu singen ist nicht nöthig.
	        
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