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Die
Völker der
Neuzeit.
Die englischen Pferderennen sind stete Gegenstände des Angriffs
und wieder der Bewunderung gewesen. Sie sind durch das Jockey-
thum outrirt, sind aber im Wesentlichen herrliche Volksvergnügungen.
Das Schädliche, was sie haben könnten, wird balancirt durch die Jagd-
rennen, dann durch die englische Pferdezucht überhaupt. S0 thöricht,
wie bei uns in der Nachääung gehandelt ist, dass man nur ein Renn-
pferd zu erzielen suchte, die sonstige Zucht aber vernachlässigte, ist
der Engländer nie gewesen. Er züchtet mit gleichem Eifer seinen
schweren Clydesdaler Karrengaul, seinen Suifolk-Punsch, sein Kutsch-
pferd, seinen Gallowayklepper, seinen Pony, wie sein Jagd- und Renn-
pferd. (Wir stehen ihm darin noch immer nach. Eine Bemerkung:
Wir beziehen die Ponys, die Lust der Jugend, aus Ijnglantl oder
Schweden. Und doch licssen sich die Moospferdchen der bairischen
Hochebenen so trefflich bei einiger Veredlung dafür heranziehen und
benutzen.) Das Rennpferd wird zusder höchstmöglichen Geschwindig-
keit herangetrieben. Man vergisst nur zu sehr den wahren lllaassstab
dabei, dass ein kräftiger, bewaffneter Mann Norm für ein Reitpferd
giebt; man setzt Knaben oder Jockeys, eigens trainirte Zwerge von
Menschen, darauf, die das möglichst geringe Gewicht bei möglichst
grosser Kraft haben; so ist nicht selten das Rennpferd, welches siegt,
ein sonst unnützes Thicr, ein outrirtcs Geschöpf, wenn man so sagen
darf. Aber dieser Renner wird wieder mit stärkeren Pferden gekreuzt
und im Jagdpferd schafft sich der Engländer ein 'l'hier, das alle Anfor-
derungen erfüllt. Diese Jagdpferde werden auf wirklichen Jagden von
Herren, nicht von Jockeys geritten, und diese englischen Landherren
haben häufig auch ohne Waffen das Gewicht eines gewöhnlichen Sol-
daten. Und Mann und Pferd nehmen die Hindernisse, wie sie in der
Natur vorkommen. Zuweilen bricht der Eine oder das Andere oder
Beide den Hals das kann tiberall vorkommen und weiss auch jeder
'l'urnplatz Aehnliehes zu erzählen. Jedes Kraftspiel ist ebeni gefährlich.
Die wirklichen Parforeejagden sind grausam, sagt man. Sie sind es,
aber sie bestehen doch in einem Kampf, der Wenigstens nicht schlimmer
Wären solche Fahrten denn nicht gesunder, interessanter, ja billiger als sonstige
tlieure Vergnügungen? Einige Laknien weniger und dafür einige Seeleute in der
Besoldung würden keinen grossen Unterschied machen; statt eines der vielen über-
flüssigen Palais ein schönes, schnelles Schiff! Sollte das denn gar keine Lust sein?
Sind nicht Seebäder genug an der Küste, die man besuchen könnte, wenn die
Fahrt in's blaue offene Meer hinaus nicht genügte? Americanisehe Bürger machen
Wettfahrten mit Vergnügungsjaehten über den Ocean. Und die Deutschen? Dass
unsere grösseren Fürsten sich nicht mit einer Jacht zu begnügen brauchten, ist
klar, wenn man einen französischen Prinzen, englische Lords und nordamerika-
nische Bürger sieht, welche Lust-Dampfboote besitzen. WVir haben Fürsten genug,
die Dampfer halten könnten zum Vergnügen, Meerdlirchschneider, die für den
Nethfall nicht blos zum Salutiren ein Paar Feuerschlünde trügen wann werden
wir hierin von den Engländern lernen? Hat man von der kleinen "Grille" gar
nichts gelernt?